Deutsche Handballer am Tiefpunkt

Bundestrainer Heuberger: »Wir haben keine Überflieger, keine absoluten internationalen Stars«

  • Martin Kloth, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Stärkste Liga, schwaches Nationalteam: Bundestrainer Martin Heuberger sendet Hilferufe an die Bundesliga. Er fordert eine Selbstbeschränkung der Klubs zugunsten deutscher Talente - und will die Auswahl wieder an die Spitze führen.

Der unüberhörbare Hilferuf kam aus dem Souterrain: Im Keller der Frankenstolz-Arena in Aschaffenburg bat Bundestrainer Martin Heuberger die Handball-Bundesliga um Entwicklungshilfe und forderte mehr Einsatzzeiten für deutsche Nachwuchskräfte. Einen eigenen Rücktritt schloss er aus. Der unbedeutende 38:19-Kantersieg gegen hoffnungslos überforderte Israelis konnte das verheerende Gesamtergebnis und die große Krise nicht beschönigen: Die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) hat als Gruppendritter in der Qualifikation für die EM 2014 komplett versagt.

Der fünfte Platz bei der WM in Spanien fünf Monate zuvor zählte nicht mehr. »Bei mir und auch bei allen Spielern ist der Frust sehr groß. Wir hätten gern die Geschichte von der WM weitergeschrieben bei der EM in Dänemark«, so Heuberger wehmütig.

Nur Rechenkünstler konnten zuletzt noch ausblenden, dass zehn Jahre nach dem Titelgewinn eine EM erstmals ohne deutsche Handballer stattfindet. Die DHB-Auswahl ist am Tiefpunkt. »Dass wir nicht dabei sind, ist natürlich ganz schlimm, nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für die Bundesliga. Sowas darf uns nie wieder passieren«, schimpfte Kapitän Oliver Roggisch, der seine Auswahlkarriere fortsetzen will. »Gerade in schwierigen Phasen wäre ich ja ein Feigling, wenn ich jetzt meinen Hut nehmen würde und sage, ich gehe in Rente«, sagte der 34-jährige Abwehrchef.

Auch Heuberger möchte im Amt bleiben. Dabei war die verkorkste EM-Qualifikation nach der verpassten Olympiateilnahme 2012 die zweite sportliche Blamage in seiner zweijährigen Amtszeit. Die Diskussionen um seine Zukunft als Bundestrainer wurden neu angestoßen. Bereits nach der Pleite am Mittwoch in Montenegro hatte der designierte Verbandspräsident Bernhard Bauer erklärt, es gebe keine Jobgarantie für Heuberger. »Damit muss ich leben. Es ist ganz klar, dass Personaldiskussionen um den Trainer stattfinden, wenn der Erfolg ausbleibt«, sagte Heuberger gelassen und wiederholte gebetsmühlenartig, dass er gern weiter an einer Mannschaft der Zukunft formen möchte. In der ersten Aufarbeitung der sportlichen Misere appellierte er an die Bundesligaklubs, deutschen Talenten den Vorzug zu geben und sie fit zu machen für hohe internationale Ansprüche.

Eklatant ist die Schwäche im Rückraum. Topklubs wie Champions-League-Sieger HSV Hamburg, Meister THW Kiel oder EHF-Cup-Sieger Rhein-Neckar Löwen besetzen die Positionen mit ausländischen Assen. Heuberger wünscht sich, dass die Vereine auch dort mehr deutsche Spieler fördern und nicht nur auf den Außenpositionen. »Da haben wir so viele Talente. Es geht darum, Perspektiven zu entwickeln im Rückraum. Da brauchen wir die Liga«, forderte der Bundestrainer und konstatierte: »Wir haben keine Überflieger in der Mannschaft, keine absoluten internationalen Stars.«

Verständlich, dass Heuberger mit Sorgenfalten in die nahe Zukunft blickt. Er befürchtet, dass die Bundesliga die Zeit wieder streicht, die sie mit Blick auf die EM in Dänemark für die Nationalmannschaft freigeschlagen hatte. »Das wäre genau kontraproduktiv«, sagte er. Schließlich muss er sich mit seinem Team nun im November und im Januar - parallel zur nächsten EM - durch die Vorqualifikation zur WM 2015 in Katar kämpfen. Nur so bleibt auch das Ziel Olympische Spiele 2016 in Rio de Janeiro weiter erreichbar.

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