Linksjugend macht auf Hausbesetzer
Um gegen Verdrängung zu protestieren, okkupierten 50 Aktivisten Neubau in Friedrichshain
Rechts der Thaerstraße in Berlin-Friedrichshain reiht sich Neubau an Neubau. Die kleinen Stichstraßen der Siedlung tragen Namen wie »Viehtrifft« und »Zur Marktflagge.« Der Anteil von Eigentumswohnungen in diesem Teil des Friedrichshainer Nordkiezes nur wenige hundert Meter vom Bersarinplatz entfernt, ist in den letzen Jahren nahezu explodiert. Am vergangenen Freitagabend wurde die beschauliche Straße daher zum Schauplatz einer Protestaktion von etwa 50 Aktivisten der Linksjugend Solid. Sie hatten diesen Ort exemplarisch für ihren Protest gegen steigende Mieten und Verdrängung gewählt.
»Viele Menschen werden durch steigende Mieten gezwungen auszuziehen, Wohnungen in der Innenstadt können sich immer weniger leisten«, erläutert Miriam Strunge, die Bundessprecherin der Jugendorganisation gegenüber »nd«. Mieten und Wohnen sei daher gerade in Berlin ein zentrales Thema im anstehenden Wahlkampf für die Bundestagswahlen im Herbst. Mit Pressevertretern im Schlepptau ziehen die Mitglieder der Linksjugend vor einen noch in Bau befindlichen Wohnblock. Sie halten Schilder in die Höhe, auf denen sie »Bezahlbare Wohnungen für Alle statt Eigentumswohnungen für Wenige« fordern. Gegenüber auf Gerüsten sind unterdessen eine Handvoll vermummter Aktivisten erschienen. Begleitet von Pyrotechnik lassen sie ein Transparent herunter, um ihren Forderungen nach bezahlbaren Mietwohnraum Nachdruck zu verleihen. Sie schwenken Fahnen der »Antifaschistischen Aktion« und von der Linksjugend Solid. Einige Nachbarn sind auf ihre Balkone getreten und beäugen die Aktion neugierig.
Zaghaft bewegt sich ein Teil der Aktivisten nun auch auf die Straße. »Hop Hop Hop Mietenstopp«, rufen sie. Während sie auf den Asphalt sitzen, beobachtet ein anderer Teil das Treiben lieber weiterhin vom Gehweg aus. Die Aktion sei »symbolisch« und nicht »konfrontativ« gemeint, erklärt Florian Häber vom Bundessprecherinnenrat der Jugendorganisation. Als nach wenigen Minuten ein erster Streifenwagen in Sicht kommt, verlassen die Protestler die Fahrbahn wieder.
Die Polizei reagiert unterdessen deutlich weniger entspannt: Rasch hinzukommende Einsatzkräfte in Uniform und Zivil setzen in den umliegenden Straßen Personen fest, die sie offenbar der Protestlergruppe zuordnen. Ihnen wird laut Aussage von Polizeibeamten vor Ort unter anderem ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Darüber hinaus soll es zu einer Beleidigung gegen einen Beamten gekommen und in der Umgebung unerlaubt Plakate angebracht worden sein, so ein Polizist.
Florian Häber ist mit der Aktion dennoch zufrieden. Man werde sich von dem Polizeieinsatz weder einschüchtern noch von weiteren Aktionen abhalten lassen, sagt er. Das enorme »öffentliche Interesse« aufseiten der »Ordnungsbehörden« sei schon mal »erfreulich«, fügt er lächelnd hinzu. Die Aktion am Freitag sei nur der Auftakt für eine größere Kampagne. Man wolle vor allem auch »inhaltlich« intervenieren gegen die »Vier-Parteien-Koalition« in der Mietenpolitik aus CDU, SPD, FDP und Grüne.
Die Forderung nach gesetzlichen Mietobergrenzen nennt der Linksjugend Solid-Vertreter als ein Beispiel. Aber auch »zivilen Ungehorsam« gegen die zunehmende »Wohnungsnot« findet Häber »legitim«. Er verweist auf die teils erfolgreichen Blockaden gegen Zwangsräumungen. Man werde dabei die Zusammenarbeit mit lokalen Mieterinitiativen suchen – selbstverständlich ohne diese zu vereinnahmen.
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