Berlusconi, die verfolgte Unschuld

An Rückzug denkt der verurteilte Cavaliere nicht

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Silvio Berlusconi hat die minderjährige »Ruby« für Sex bezahlt und anschließend sein Amt missbraucht, um das Ganze zu vertuschen. Deswegen hat ihn ein Gericht in Mailand zu sieben Jahren Haft verurteilt und zum lebenslangen Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten sprechen von »Staatsstreich«.

Die Fakten sind bekannt: Silvio Berlusconi organisiert in einer seiner Villen Sexpartys, an der auch eine 17-jährige Marokkanerin namens Karima ›Ruby‹ El Mahroug teilnimmt. Als sie wegen Diebstahl festgenommen wird, setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, damit sie aus dem Polizeigewahrsam entlassen wird und gibt sie gar als Nichte des damaligen ägyptischen Diktators Husni Mubarak aus. Als das Mädchen wieder straffällig wird, beginnt die Geschichte aufzufliegen. In einem Telefonat erklärt sie einem Freund, sie werde jetzt reich, weil ihr Berlusconi fünf Millionen Euro versprochen habe, wenn sie nur den Mund halte und erste Aussagen widerrufe. Gleichzeitig spinnen Berlusconi und seine Anwälte das Märchen von den »eleganten Abendessen«, an denen namhafte Persönlichkeiten und nette Mädchen teilnahmen, bei denen man ein bisschen getanzt habe - aber mehr auch nicht.

Mehr als zwei Jahre nach Prozessbeginn wurde jetzt das sicherlich harte Urteil gefällt, das sogar über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinausgeht, die sechs Jahre Haft beantragt hatte. Und nicht nur das: Die drei Richterinnen haben angeordnet, dass ein Verfahren wegen Falschaussage gegen 32 Personen eingeleitet wird, die vor Gericht befragt wurden: Darunter sind viele der »netten Mädchen«, die heute jeweils 2500 Euro monatlich von Berlusconi bekommen und umsonst in seinen Häusern wohnen dürfen, aber auch Künstler, die bei ihm auftraten, und sogar ein derzeitiger Vizeminister, der wohl des öfteren bei den Partys zu Gast war.

Und nun?, mag man sich fragen und denken, dass sich der fast 80-jährige Medien- und Bauunternehmer in Erwartung der Revision ins Privatleben zurückziehen wird. Aber dem ist nicht so: Berlusconi und seine Getreuen drehen den Spieß um und sprechen von einem »terroristischen Urteil« und sogar von »Staatsstreich«, weil die »politisierte Justiz« einen Gegner »mit juristischen Mitteln aus dem Weg räumen will«.

Es ist immer das Gleiche: Berlusconi ist unschuldig und also sind alle, die das in Zweifel ziehen, schuldig. Mit Vernunft oder gar juristischen Argumenten kommt man dagegen nicht an. Der Ruf Italiens in der Welt wird nicht durch einen verurteilten Verbrecher geschädigt, sondern durch diejenigen, die das Urteil gesprochen haben. Sogar Vergleiche mit der Stalin- und der Nazijustiz werden bemüht und das Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden, wird vom Fraktionsvorsitzenden des »Volkes der Freiheit« in der Abgeordnetenkammer Renato Brunetta als »Todesstrafe« bezeichnet.

Die Frage ist jetzt, ob die derzeit in Italien regierende Koalition, in der auch Berlusconis Partei zusammen mit den Demokraten sitzt, Bestand haben wird. Eigentlich gibt es derzeit nichts, was dagegen spräche. Berlusconi wird nur dann auf eine Regierungskrise drängen, die unweigerlich Neuwahlen zur Folge hätte, wenn die Umfragewerte für ihn vorteilhaft sind. Und das sind sie im Augenblick nicht.

Auch die Demokraten, die stets betonen, dass man Gerichtsurteile zu respektieren und nicht zu kommentieren habe, werden kaum auf das Ende dieser Regierung drängen, in der sie in der Person Enrico Lettas den Ministerpräsidenten stellen. Den Rücktritt von Sportministerin Josefa Idem muss die PD allerdings verschmerzen. Der aus Deutschland stammenden Kanu-Olympiasiegerin war Steuerhinterziehung vorgeworfen worden. Am Montagabend verzichtete sie trotz mancher Solidaritätserklärung auf ihr Amt, das sie nur 50 Tage lang ausgeübt hatte.

Sonst bleibt alles wie zuvor? Wahrscheinlich, aber das politische Klima im Lande - vom sozialen und wirtschaftlichen ganz zu schweigen - hat sich weiter verschlechtert und vor diesem Hintergrund sind plötzliche Wendungen nie auszuschließen.

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