Soldaten in Bereitschaft: Neue Protesten in Brasilien
100.000 Menschen zu Demonstration am Rande des Halbfinales im Confed Cup erwartet / Bewegung »Passe Livre« von Präsidentin Rousseffs Reformvorschlägen enttäuscht
Brasília (Agenturen/nd). Vor dem Halbfinalspiel im Fußball-Confederations Cups in Brasilien werden neue Massenproteste gegen soziale Missstände und Korruption erwartet. Am Austragungsort der Partie zwischen Brasilien und Uruguay in Belo Horizonte sollen Medienberichten zufolge rund 100.000 Demonstranten zusammenkommen, die Behörden haben den Tag zum Feiertag erklärt, die Zahl der eingesetzten Polizisten erhöht und über 1.000 Soldaten in Alarmbereitschaft versetzt.
Unterdessen haben sich Vertreter der Protestbewegung »Passe Livre« (Freifahrtschein) enttäuscht über den Reformankündigungen von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff gezeigt. Der Dialog sei ein wichtiger Schritt, aber Rousseff habe zu wenige »konkrete Vorschläge« gemacht, sagte die Aktivistin Mayara Vivian der Zeitung »Folha de São Paulo«. »Passe Livre« hatte mit Demonstrationen gegen Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr die Protestwelle ausgelöst. Die Anhebungen waren landesweit zurückgenommen worden.
Auch im Kongress und von Juristen bekommt Rousseff heftigen Gegenwind. Ihr Vorstoß für eine Volksabstimmung über eine verfassungsändernde Versammlung droht in einer Sackgasse zu enden. Es gab massive Kritik aus dem Kongress an dem Referendums-Plan, dessen Ziel eine umfassende Politikreform ist. Das Abgeordnetenhaus lehne den Vorschlag ab, sagte der Präsident der Kammer, Henrique Eduardo Alves.
Auch der einflussreiche Anwaltsverein des Landes sprach sich gegen den Vorstoß aus. Brasiliens Justizminister José Eduardo Cardozo signalisierte, dass die Regierung für eine Politikreform nach Alternativen zu einer Verfassungsversammlung suche.
Das Referendum, das Rousseff als Antwort auf die Massenproteste im Land vorgeschlagen hatte, kann nur vom Nationalkongress beschlossen werden. Es gab in der vergangenen Jahren unter Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva schon mehrere Anläufe für eine verfassungsändernde Versammlung, die alle im Kongress scheiterten.
Die Proteste waren auch in den vergangenen Tagen fortgesetzt worden, allerdings mit geringerer Beteiligung als zuvor. In Porto Alegre im Süden des Landes gingen Anfang der Woche 10.000 Menschen gegen Korruption und soziale Missstände auf die Straßen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Es gab mehrere Verletzte. Mehr als 100 Menschen wurden festgenommen. Auch in Rio kam es zu Protestaktionen.
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