Sabine Lisicki wird zur Favoritin
Berliner Tennisspielerin erreicht zum zweiten Mal das Halbfinale von Wimbledon
Ausgelassen sprang Sabine Lisicki über den Platz, drehte sich im Kreis und strahlte ins Publikum: Auf den Tag genau 25 Jahre nach dem ersten Triumph von Steffi Graf hat die Berlinerin zum zweiten Mal selbst bei ihrem Lieblingsturnier in Wimbledon das Halbfinale erreicht. Gegen die Estin Kaia Kanepi bestätigte die Berlinerin mit 6:3, 6:3 eindrucksvoll ihren Sensationssieg über Serena Williams und ist nur noch zwei Schritte von ihrem ersten Grand-Slam-Titel entfernt.
»Ich bin sehr glücklich. Das war ein unfassbares Match gestern und ich musste dafür sorgen, runterzukommen«, sagte Sabine Lisicki, nachdem sie im einsetzenden Nieselregen alle Autogrammwünsche geduldig und dauergrinsend erfüllt hatte: »Die Erfahrung von drei Viertelfinals haben mir heute sehr geholfen.«
Im Halbfinale wartet am Donnerstag die polnische Vorjahresfinalistin Agnieszka Radwanska. »Ich hatte schon auf dem Weg ins Halbfinale große Herausforderungen. Deshalb bin ich in diesem Jahr noch eher bereit dafür als beim letzten Mal«, sagte Lisicki. Von einer lösbaren Aufgabe gehen auch die Buchmacher im wettbegeisterten England aus. Seit dem Coup gegen Titelverteidigerin Serena Williams avancierte Lisicki in den Wettbüros zur Favoritin auf den Sieg beim bedeutendsten Tennisturnier der Welt. Davon scheint sie sich aber noch nicht beeindrucken zu lassen. »Ich will jedes Spiel gewinnen, nur so gehe ich auf den Platz«, sagte sie, »mal sehen, was am Donnerstag passiert.«
Gegen Kanepi lieferte Lisicki eine blitzsaubere Vorstellung ab. Vom ersten Ballwechsel, den sie mit einer krachenden Vorhand gewann, bis zum Matchball, den sie nach nur 65 Minuten mit einem gepeitschten Vorhandvolley vollendete, blieb die Weltranglisten-24. hoch konzentriert. Die Anspannung, angesichts der großen Chance, nach 2011 erneut das Halbfinale im All England Club zu erreichen, war ihr anzumerken, und doch blieb Lisicki das ganze Match über spielfreudig.
Mit auffällig vielen Stopps und Winkelbällen ließ sie Kanepi nie in deren druckvolles Grundlinienspiel kommen. Auf der Tribüne lehnte sich Bundestrainerin Barbara Rittner schon früh entspannt zurück. Bis auf eine Schwächephase zu Beginn des zweiten Satzes, als ihrem Schützling drei Doppelfehler und der einzige Aufschlagverlust unterliefen, musste sie sich keine Sorgen machen. Lisicki dominierte die Estin, die noch in Runde zwei gegen Angelique Kerber (Kiel) gewonnen hatte und zum zweiten Mal nach 2010 im Viertelfinale von Wimbledon stand.
Das Break zum 1:2 holte Lisicki sofort wieder auf, auch weil Kanepi ihr Aufschlagspiel ebenfalls mit einem Doppelfehler abschenkte. Die Weltranglisten-46., die in Estland als einer der größten Sportstars gilt, knüpfte im gesamten Match nicht an die Leistung aus dem Achtelfinale an, in dem sie die britische Hoffnungsträgerin Laura Robson bezwungen hatte. Das lag allerdings vor allem an Lisickis drückender Überlegenheit.
Der Schlüssel zu ihrem Erfolg auf dem Heiligen Rasen ist neben dem Aufschlag, der oftmals mit knapp 200 Stundenkilometern ins gegnerische Feld fliegt, die Defensive. Lisicki verteidigt glänzend, mit starker Raumaufteilung auf dem gesamten Platz und schnellen Beinen an der Grundlinie. Ihre Schläge, ihre Laufarbeit und ihre Einstellung sind wie geschaffen für das Spiel auf dem schnellsten aller Tennisbeläge. Lisicki liebt Wimbledon, den Rasen und die Atmosphäre im Londoner Südwesten. Das betont sie immer wieder. Und sie trifft auf Gegenliebe. Für ihr Angriffstennis, das selbst die kraftvolle Williams am Tag zuvor in die Ecke gedrängt hatte, wird Lisicki in London »Boom Boom Bine« gerufen - in Anlehnung an den dreimaligen Sieger Boris Becker, der als BBC-Experte noch immer omnipräsent und in Wimbledon außerordentlich beliebt ist.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.