Kein Spielfeld für Rechts
Auf »Fußball-gegen-Nazis.de« werden lokales Engagement hervorgehoben und rechtsextreme Codes entschlüsselt
Joachim Wolf von der Amadeu Antonio Stiftung hat viel zu tun. In jeder Woche erstellt er eine Presse- und Blogschau, veröffentlicht Beiträge und Texte auf dem Internet-Portal »Fussball-gegen-Nazis.de«. Manches schreibt er selbst, manches kommt von außerhalb der Redaktion. Themen gibt es immer: Beispiele von Diskriminierung und Versuchen von Nazis, den Fußball zu unterwandern - gleichzeitig gibt es jede Woche ermutigende Beispiele für das Engagement dagegen.
»Wir versuchen alle Vorfälle von gruppenbezogener Diskriminierung aufzuzeigen, nicht nur rechtsextreme oder antisemitische Vorfälle « erläutert Joachim Wolf gegenüber »nd«. Rechtsextremismus und Antisemitismus werden in den Stadien und auf den Sportplätzen oft geächtet. Wenn es sie gibt stehen sie schnell im Fokus der Öffentlichkeit; Vereine, Verbände oder Zuschauer reagieren oft schnell und eindeutig. Sexismus, Antiziganismus und Homophobie dagegen werden auf den Tribünen viel offener ausgelebt, gehören teilweise zur Stadionfolklore.
Das Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) erwähnt in seiner gestern veröffentlichten Saisonbilanz 2012/13 zwei gegensätzliche Tendenzen in den Kurven. Einerseits positionieren sich demnach zunehmend Fangruppen gegen Diskriminierung und Neonazis in ihrer Mitte. Auf der anderen Seite hat es jedoch auch in vielen Kurven eine deutliche Zunahme rechter Aktivitäten gegeben, was »insgesamt eine Polarisierung« der Fans bewirke. nd
Nazis haben sich darauf eingestellt: Rechtsextreme Botschaften werden oft codiert im Stadion verbreitet. »Solidarität mit dem NWDO« war im letzten Jahr auf einem Transparent im Dortmunder Stadion zu lesen. Wie viele der achtzigtausend Zuschauer wussten, dass »NWDO« für »Nationaler Widerstand Dortmund« steht? Die Botschaft war trotzdem zu sehen. Gleichzeitig können Nazis an allgemeine Ressentiments der Bevölkerung anknüpfen, die in Stadien offener als im Alltag ausgelebt und weniger sanktioniert werden: Der Ruf »Zick, zack - Zigeunerpack!« oder die Beschimpfung »Schwuchtel« für Gegner, Gästefans oder Schiedsrichter geht vielen Zuschauern schnell und unreflektiert über die Lippen. Rechtsextreme Hooligans wie die »Borussenfront« in Dortmund, die von vielen - auch Experten - als Phänomen des letzten Jahrtausends gesehen wurden, treten heute wieder offen in Erscheinung, gleichzeitig versuchen Nazis Elemente der größten Fußball-Jugendkultur unserer Zeit zu adaptieren: Ultra.
Ultragruppen zu unterwandern oder gleich selbst zu gründen - in Aachen und Braunschweig mündete dies vergangene Saison teilweise in offener Gewalt innerhalb der Fanszenen sowie Auflösung und Ausgrenzung vermeintlich »linker Ultragruppen«. Selbstbezeichnung und Auftritt der »NS-Boys« einer schon lange existierenden Chemnitzer Ultragruppe, »NS« steht für »New Society« - »Neue Gesellschaft«, spielen nicht nur auf die NS-Zeit an.
Unterwanderung des Fußballs durch Nazis und Diskriminierung - dagegen arbeiten viele Initiativen und engagieren sich viele Menschen. Auch das will »Fussball-gegen-Nazis.de« zeigen und unterstützen. Joachim Wolf: »Die Amadeu-Antonio-Stiftung möchte ja gerade lokales Engagement fördern und stützen. Wir können zum Beispiel finanzielle Unterstützung leisten. Wir können vernetzen. Wir können aber vor allem Öffentlichkeit schaffen.«
Das habe positive Folgen, so Joachim Wolf weiter: »Die Gruppen bekommen ein Echo auf ihre Arbeit, eine Reaktion. Das sorgt auch für Zulauf. Zweitens kann Öffentlichkeit auch Schutz bedeuten. Und letztendlich bringt sie ja auch Anerkennung der Arbeit, beispielsweise durch Presseanfragen oder Demokratiepreise.«
Den Fußball als Spielfeld für Nazis ausleuchten, gleichzeitig diejenigen stärken, die dazwischen grätschen wollen - »Fussball-gegen-Nazis.de« will ein Portal für beides sein. Dafür bleibt nicht nur für Joachim Wolf weiter viel zu tun, Spieltag für Spieltag, Woche für Woche.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.