Gezi-Park in Istanbul: Polizei feuert Gummigeschosse

Kein Ende der Proteste in der Türkei / Erneut tönt der Ruf: »Überall ist Taksim, überall ist Widerstand«

  • Lesedauer: 2 Min.

Istanbul (Agenturen/nd). Wenige Stunden nach der offiziellen Wiedereröffnung des Gezi-Parks ist die Polizei in Istanbul erneut gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Die Sicherheitskräfte setzten am Montagabend im Zentrum der türkischen Metropole Wasserwerfer, Tränengas und Plastikgeschosse ein.

»Vier Menschen sind für diesen Park gestorben - er wird wieder geöffnet werden!«, rief ein junger Demonstrant. Andere redeten auf Polizisten ein, sie sollten ihren Einsatz beenden. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter machten Meldungen die Runde, nach denen über 30 Mitglieder der Bewegung »Taksim Solidarity« festgenommen wurden.

Ein Gericht hatte bereits Anfang Juni geurteilt, dass der Umbau des Gezi-Parks unrechtmäßig sei, weil die Bevölkerung nicht befragt worden sei. Doch wurde das Urteil erst vor wenigen Tagen publik gemacht.

Nach Schätzungen von Augenzeugen versuchten am Montag rund 1.000 Demonstranten, zum Taksim-Platz und in den benachbarten Gezi-Park zu gelangen. Einige Demonstranten errichteten Barrikaden auf der Einkaufsstraße Istiklal Caddesi, die zum Taksim-Platz führt. Sie reagierten auf den Einsatz von Wasserwerfern mit Steinen und Flaschen; Demonstranten schossen nach Augenzeugenberichten auch mit Zwillen. Die Zusammenstöße schienen zunächst aber weniger schwer als am Samstag, als mehrere tausend Demonstranten zum Gezi-Park vordringen wollten und von der Polizei zurückgeschlagen wurden.

Vor den erneuten Zusammenstößen hatte es ein Verwirrspiel um den Park gegeben, der zum Symbol der landesweiten Proteste wurde. Wenige Stunden nach seiner Wiedereröffnung durch den Gouverneur riegelte die Polizei das Areal wieder ab. In Erwartung neuer Proteste sperrten die Sicherheitskräfte zugleich den Taksim-Platz. Die Demonstranten versammelten sich daher an dessen Rand. Sie skandierten »Überall ist Taksim, überall ist Widerstand.«

Istanbuls Gouverneur Hüseyin Avni Mutlu sagte bei der Eröffnung lokalen Medienberichten zufolge, illegale Versammlungen im Park würden nicht geduldet. Mit Blick auf das Protestbündnis »Taksim Solidarität« fügte er hinzu, der Park gehöre nicht einzelnen Gruppen, sondern allen Menschen in Istanbul.

Bei den wochenlangen Demonstrationen war die Polizei mit aller Härte eingeschritten. Drei Demonstranten und ein Polizist kamen bei den Zusammenstößen ums Leben, zudem wurden rund 8000 Menschen verletzt. Nach Schätzungen der Polizei hatten sich 2,5 Millionen Menschen in 80 türkischen Städten an den Demonstrationen beteiligt. Inzwischen richten sie sich vor allem gegen die autoritäre islamisch-konservative Regierung von Recep Tayyip Erdogan. Die Polizeigewalt bei den seit Ende Mai andauernden Protesten wurde international kritisiert.

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