Gute Vorsätze

Wiesbadens neuer OB steht vor vielen Problemen - Charme-Offensiven werden da nicht reichen

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Hessens Hauptstadt Wiesbaden hat nach Jahren der CDU-Dominanz der SPD-Politiker Sven Gerich das OB-Amt angetreten. Wird er seine Versprechungen erfüllen?

Mit dem Amtsantritt des neuen Wiesbadener Oberbürgermeisters Sven Gerich in der vergangenen Woche stellt die SPD nach 16 Jahren erstmals wieder das Oberhaupt in der hessischen Landeshauptstadt. Die Sozialdemokraten erhoffen sich aus Wiesbaden Rückenwind für die Landtags- und Bundestagswahlen am 22. September.

Der 38-jährige Druckereibesitzer Gerich, dessen Vorbilder die SPD-Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sind, war bisher als SPD-Fraktionschef im Rathaus eine zentrale Stütze der lokalen CDU/SPD-Koalition. Eigentlich war er nur als Zählkandidat gegen Amtsinhaber Helmut Müller (CDU) in die OB-Wahl gegangen. So sollte er für die nächste Direktwahl bekannt gemacht werden. Nun ist er jetzt schon Rathauschef, setzt auf eine Charme-Offensive und will als »OB zum Anfassen« möglichst viele Rathaus-Mitarbeiter, Vereine, Ortsbeiräte, Kindertagesstätten, Bier- und Weinfeste persönlich aufsuchen. Ebenso strebe er »mehr Bürgerbeteiligung« durch Beiräte, Projektgruppen und Runde Tische an. Weil die schlechte Stimmung in der lokalen Verwaltung zu Müllers Niederlage beigetragen hatte und jetzt auch eine Studie die Unzufriedenheit und den hohen Krankenstand der Verwaltungskräfte dokumentiert, will sich der »Neue« auch um die Gesundheit der Beschäftigten kümmern.

Gerich hatte sich im Wahlkampf von Müller auch mit der Aussage abgegrenzt, die Stadt sei »kein anonymer Konzern, sondern ein Gemeinwesen«. Die im Besitz der Stadt befindlichen Gesellschaften hätten der Stadt und ihren Bürgern zu dienen und nicht umgekehrt. Nun will der OB die parlamentarische Kontrolle über die Gesellschaften ausbauen. So soll die kommunale Bädergesellschaft Mattiaqua wieder näher an die Verwaltung herangeführt und künftig vom Leiter des städtischen Sportamts gelenkt werden.

Auf die Füße fallen könnten dem neuen OB allerdings noch die Zustände in den Städtischen HSK-Kliniken, die nach einer von CDU und SPD vorangetriebenen Teilprivatisierung vor einem Jahr nun zu 49 Prozent dem privaten Konzern Rhön-Klinikum AG (RKA) gehören. Obwohl die Stadt als Mehrheitseigentümer 51 Prozent der HSK-Anteile hält, haben nun die RKA-Manager das Sagen. Die seither beklagte Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, Hygiene und Betriebsklima, das zunehmende Lohndumping und die vom Management beabsichtigte Entlassung einer Betriebsrätin beschäftigten auf Antrag der Fraktion LINKE&PIRATEN jüngst auch das Stadtparlament.

Während Redner der CDU/SPD-Koalition den umstrittenen Teilverkauf an die RKA grundsätzlich verteidigten, ließ der zuständige SPD-Kämmerer und HSK-Aufsichtsratschef Axel Imholz seine allerdings folgenlose Unzufriedenheit mit »mangelnder Transparenz« und »schlechter Informationspolitik« der RKA-Manager erkennen. Für Ende Juli steht auch ein Besuch Gerichs beim US-Standortkommandanten Oberst David Carstens auf dem Programm. Der Hintergrund: Wiesbaden, seit Generationen Garnisonstadt, wird nach dem bevorstehenden Umzug der Europa-Zentrale der US-Landstreitkräfte von Heidelberg nach Wiesbaden-Erbenheim in dieser Funktion noch aufgewertet. Nach Medienberichten, wonach der US-Nachrichtendienst NSA derzeit in Erbenheim für 124 Millionen Dollar ein »Nachrichtencenter« bauen lässt, das 2015 in Betrieb gehen soll, dürfte Gerichs Besuch bei den Militärs keine Routineangelegenheit werden. Er wolle »alles ansprechen, was in der Bevölkerung laut wird«, kündigte der OB an.

Zu den Folgen des Umzugs der US-Kommandozentrale für die 270 000-Einwohner-Stadt Wiesbaden gehören zunehmender Fluglärm und steigende Mieten. So bestätigte auch der Wiesbadener Mieterschutzverein auf »nd«-Anfrage, dass die US-Army über Maklerbüros für Angehörige und Zivilangestellte Wohnungen im gesamten Stadtgebiet suchen lasse. Weil die Army dabei Mietzuschüsse entrichte und auch für die Maklergebühren aufkomme, könnten wohnungssuchende einheimische Normalverdiener vielfach nicht mehr mithalten.

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