Kampfkünstler mit roter Laterne
Der Kanadier Svein Tuft beendet seine erste und letzte Tour de France als Schlusslicht im Klassement
nd: Wie war Ihre erste Tour?
Tuft: Unglaublich schön und sehr, sehr schwer. Es war eine überwältigende Erfahrung. Die erste Woche bot ein Traumszenario für uns.
Sie meinen dabei nicht die Buspanne unter dem Zieltor?
(lacht) Nein. Das war nicht geplant. Aber ein paar Tage später haben wir das Teamzeitfahren gewonnen und dann das gelbe Trikot verteidigt. Die dritte Woche war dann superschwer. Jeden Tag gab es irgendeinen Berg, über den man musste, oft sogar zwei, drei davon.
AC/DC hilft dann?
Ja. Kanadier und Australier sind sich halt ähnlich. Der Schlüssel ist: Das hier ist ein harter Sport. Aber wenn man nicht Gelegenheiten findet, es sich auch schön zu machen, wird es noch viel schwerer.
Hat es sich gelohnt, so lange auf die erste Tour zu warten?
Es ist o.k, dass ich diese Erfahrung nun gemacht habe. Ich muss das aber nicht noch mal erleben, ich brauche keine zweite Tour.
Sie haben 6000 km mit dem Rad durch Alaska zurückgelegt. Was war härter: Alaska oder Tour?
Ich weiß nicht. Diese Zeit war anders. Ich musste mich in Alaska nicht immer weiter antreiben, sondern konnte einfach mal anhalten. Hier muss man jeden Tag kämpfen. Das ist ein großer Unterschied. Hier wird ein ganz anderes Niveau gefahren und das macht es ganz schwer.
Wie findet ein Kanadier, ein Mann der großen Wälder, so ein Spektakel wie die Tour de France?
Für mich ist das etwas zu viel. Aber ich liebe meine Arbeit. Und so gehört das dazu. Es ist nicht meine Lieblingsvorstellung, in solch einer verrückten Umgebung zu sein, aber ich werde es mein Leben lang als in Erinnerung behalten.
Die rote Laterne haben Sie eingeplant?
Nein, das ist einfach passiert. Ich habe viel für das Team gemacht, das war die Aufgabe.
Aber sie ist doch ein Ehrenzeichen für die, die niemals aufgeben, obwohl sie hinten liegen. Wie oft sind Sie bei dieser Tour gestürzt?
Vier Mal. Im letzten Jahr bin ich niemals gestürzt, in diesem Jahr allein bei der Tour vier Mal.
Welches war der härteste Tag?
Die Etappe nach Le Grand-Bornand. Da sind so viele Sachen passiert, der Sturz, dann die lange Fahrt allein. Ich habe das aber einfach durchgezogen und hatte dann Glück, dass das Grupetto mal etwas langsamer fuhr. Da bin ich dann rein. Und Stuart O’Grady hat mir sehr geholfen, hat für ein gleichmäßiges Tempo gesorgt und mich in der Gruppe gehalten.
Über Sie sind verrückte Sachen im Umlauf. Die Fahrt durch Alaska, Kampfsport, den Sie betreiben, sogar Cage Fights, die Fahrt durch Kalifornien mit Ihrem Hund hinten auf dem Rad - stimmt das alles?
Vieles ist wahr. Aber manche Dinge reißen die Leute auch aus dem Kontext und übertreiben. Ich mag Gemischte Kampfkünste (eine Mischung von Techniken aus Boxen und Kickboxen, Karate, Judo und Ringen, T.M.), in einem Cage Fight habe ich noch nie mitgemacht. Auf der anderen Seite habe ich viele verrückte Dinge getan, habe als Hobo gelebt, bin auf Züge aufgesprungen. Ich verstehe, dass man daraus andere Geschichten macht.
Helfen Kampfkünste im Peloton?
Nein. Radsportler sind keine großen Kämpfer.
Mental doch aber schon?
Ja, aber das ist eine ganz andere Sache.
Was würden Sie Ihren Kumpels aus der Kampfkunstszene erzählen, wenn Sie denen die Tour beschreiben müssten?
(lacht) Oh, das ist eine ganz schwierige Sache. Ich glaube, die extremen Momente hier lassen sich gar nicht erzählen, die Massen von Menschen, die Schwierigkeiten, die du überwinden musst. Es ist einfach ein Riesenspektakel.
Was hält der Klassementletzte vom Ersten der Gesamtwertung?
Ich bin froh, keiner von diesen Jungs zu sein. Ich weiß nicht, wie die das hinkriegen Tag für Tag.
Ist der Zweifel an den Leistungen von Froome gerechtfertigt?
Es ist nicht fair, das, was er tut, in Zweifel zu ziehen. Er ist ein Superathlet, das zeigt er jetzt. Und es ist schlecht, dass Leute, die dazu nicht fähig sind, das nicht akzeptieren können.
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