Wenn der SPD-Wahlkämpfer zweimal klingelt
Die Sozialdemokraten haben bekanntlich das Ziel, die Bundestagswahl zu gewinnen, noch nicht aufgegeben. Dabei geht es inzwischen längst nicht mehr darum, mehr Prozente als CDU und CSU einzufahren - man muss in den Umfragestatistiken schon ziemlich weit zurückgehen, um zu den Zeiten der demoskopischen Augenhöhe zwischen Union und SPD zu gelangen. Amtlich lagen beide zuletzt vor über zehn Jahren gleichauf - bei den Bundestagswahlen 2002.
Wenn also heute vom ungebrochenen Siegeswillen der Sozialdemokraten die Rede ist, dann meint das: gemeinsam mit den Grünen eine parlamentarische Mehrheit zu erreichen. Dafür reicht es nach dem Stand der aktuellen Umfragen ziemlich deutlich nicht, weshalb eine beliebte Wahlkampfmelodie der Sozialdemokraten das Pfeifen im Walde ist: die Wahl sei noch nicht entschieden, es komme auf die Mobilisierung an, wir lassen uns nicht nervös machen. Und so fort.
Ein großes Stück sozialdemokratische Hoffnung gründet sich auf den geplanten Haustürwahlkampf. »Da draußen sind zehn Millionen Wähler, die die SPD seit 1998 verloren hat«, sagte Peer Steinbrück unlängst, also jemand, der für diesen elektoralen Exodus womöglich mitverantwortlich ist. Vier bis fünf Millionen »dieser potenziellen SPD-Wähler müssen wir abholen. Dann gewinnen wir«. Abholen ist hier auch ganz wörtlich gemeint: Andrea Nahles, die Generalsekretärin der SPD, hat die Idee mit der Haustür jetzt in der »Frankfurter Rundschau« noch einmal beschrieben: »Wir gehen dahin, wo unsere Wähler sind. Unser Ziel ist vor allem, die Menschen dazu zu bewegen, wählen zu gehen.«
Und was sagen »die Menschen« dazu? Einer deutlichen Mehrheit erscheint der angekündigte Besuch von SPD-Wahlkämpfern offenbar so attraktiv wie ein Missionierungsversuch von Jehovas Zeugen oder irgendeiner anderen Drückerkolonne. Einer Emnid-Umfrage zufolge wollen jedenfalls zwei Drittel der Deutschen nicht von Wahlwerbern der Parteien besucht werden. Wobei es interessante Unterschiede zwischen den politischen Lagern gibt: Unter Anhänger der Union ist die Ablehnung am größten - und bei den Sympathisanten der Linkspartei am geringsten. Unter denen würde sogar eine knappe Mehrheit den Wahlwerbern die Türe öffnen.
Im Lager der sozialdemokratischen Anhänger gaben in der Umfrage 63 Prozent an, Vertretern von Parteien nicht öffnen zu wollen. Was für eine Partei, die auf Tür-zu-Tür-Wahlkampf setzt, nicht gerade eine gute Nachricht sein dürfte. Ob sich daran etwas ändert, wenn »die Menschen« zu Hause lesen, was Andrea Nahles mit Blick auf den Klingel-Wahlkampf sagt, bleibt abzuwarten: Im Übrigen, sagt die SPD-Generalin, »haben wir immer eine kleine Aufmerksamkeit dabei. Da lassen sich die Kandidatinnen und Kandidaten vor Ort echt was einfallen. Vom Blumensamen bis zur selbst gemachten Marmelade.«
Wie man inzwischen von Leuten hört, die bereits Besuch bekamen, soll das ja ganz nett sein mit den örtlichen SPD-Wahlkämpfern - aber schon zwei Mal wurde berichtet, dass die Sache etwa so ablief: Guten Tag, wir sind von der SPD ... Und dann kommt ein Gespräch in Gang, in dessen Verlauf der Besuchte eher den Eindruck gewann, hier handele es sich um eine Art Prüfung, welcher die sozialdemokratischen Wahlkämpfer ausgesetzt sind, die - na klar - auf ihre SPD-Vorderen angesprochen peinvoll herumdrucksten. So nach dem Motto: Bitte glauben Sie uns doch - trotz der SPD-Spitzenpolitiker, der Agenda-Vergangenheit und so weiter.
Wie dem auch sei. Steinbrück hat ja schon gedroht, er »werde auch selber von Tür zu Tür gehen und um Stimmen werben. Und ich weiß: Als Redner kann ich durchaus Wirkung erzielen.« Mal sehen. Bei Nahles lief es eigener Auskunft zufolge so: »Ich habe die Gurkenmaske auf dem Gesicht. Was wollen Sie?«
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