Umsatteln im Zehnjahresrhythmus
Warum es die Pferde im Nordosten den Menschen nicht recht machen können
Aktuell wird wieder einmal herumgemäkelt an den angeblich so geliebten Vierbeinern. Die Mecklenburger Warmbluthengste im Landesgestüt Redefin, so lästert der NDR, seien offenbar »weniger gefragt«. Dem Sender war ein Gutachten zugespielt worden, demzufolge nicht zuletzt ein »dramatischer« Rückgang der »Deckleistung« das Gestüt auch weiterhin zu einem Zuschussfall machen werde.
Das Mecklenburger Warmblut ist dem Hannoveraner ähnlich, aber kleiner und gedrungener. In den letzten Jahren konnte die Rasse im Sport zwar immer wieder groß herauskommen - zum Beispiel war der 2012 so plötzlich verschiedene Spitzen-Spring-Hengst Chacco Blue ein Mecklenburger -, doch die Zahlen können auf Dauer nicht lügen.
Voll- mit Kaltblut gekontert
Immer wieder kam das Thema in den vergangenen Jahren auf den Tisch, auch der Landesrechnungshof hat sich schon damit befasst. Was also tun? Vielleicht irgendwas Schickes reinmischen? Ein bisschen Quarter-Horse für den Touristeneinsatz oder für die betuchten Wochenend-Ökos aus Berlin ein Schuss Przewalskipferd? Es wäre nicht das erste Mal. Gut 300 Jahre Geschichte hat die organisierte Pferdezucht in Redefin, teils wurde die dort erzeugte Rasse in Zehnjahresintervallen modifiziert. Seit 1710 schon kamen die edlen Pferde der Mecklenburg-Schweriner Herzöge aus Redefin, seit 1812 wurde dort mit Ehrgeiz, Plan und inmitten klassizistischer Architektur gezüchtet - und nicht immer ist das gut gegangen.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts mussten die Pferdeplaner erstmals einsehen, dass sie sich gehörig vergaloppiert hatten: Man hatte es mit dem Veredeln durch englisches Vollblut übertrieben; die Pferde wurden zu leicht für die Allround-Aufgaben, die ihnen eigentlich zugedacht wurden. Fast wäre dies auch das Ende für den Mecklenburger gewesen, denn die »Rettungsmaßnahmen« erwiesen sich als nicht minder verheerend: Als Konter wurden robuste Kaltblüter eingekreuzt - das Resultat waren, wie es die Pferdegeschichte besagt, für die Weiterzucht nicht brauchbare Tiere.
Erst im zweiten Anlauf gegen Ende des 19. Jahrhunderts stimmte also der Mecklenburger Warmblut-Mix - neben dem Hannoveraner gehört ein wenig Trakehner und besser dosiertes Vollblut zum Rezept. Doch da waren die Tage des Pferdes auch schon beinahe gezählt; die Konkurrenz zur Maschine und die Wirren der Weltgeschichte sorgten weiterhin für eine muntere Formwandlung in den Boxen von Redefin. Zunächst kamen der Aderlass und eine Durchmischung mit Flüchtlingspferden aus dem Osten, dann löste die junge DDR das Gestüt kurzzeitig auf, bevor es als »Hengstdepot« wieder eröffnet wurde.
Der DDR-Einheitshengst
Für die Pferderasse war das eine bewegte Zeit, wie die Diplom-Landwirtin Brit Risch in ihrer 1995 geschriebenen Geschichte der Nordost-Pferde erklärt: Nachdem in den frühen 1950er Jahren zunächst Arbeits- und Bauernmodelle gefragt waren, wurde das Profil nach der Kollektivierung und Maschinisierung der Landwirtschaft bereits um 1960 erneut umgestellt. Auf dem Acker wurden die Pferde nun kaum noch gebraucht, dafür wurde der Pferdesport populärer.
Daher wurden nun die Reitpferdelemente unterstrichen; später auch unter erneuter Vollblut-Beimischung mit Blick auf den Export für Devisen. Schon lange achtet man also genau auf die »Deckleistung« in den Ställen von Redefin.
Bereits in den 1970er Jahren gab es die nächste Pferdekörper-Kurskorrektur: Es entstand - gewissermaßen als Pendant zur »sozialistischen Nation« - die Einheitsrasse »Edles Warmblut der DDR«: Ein Allroundsportpferd, für die alle im Land vertretenen Rassen mit Eignung zum Reit- oder Fahrsport zusammengemixt wurden. Der berühmteste Hengst aus dieser Produktion war Kolibri, der von 1979 bis 2004 lebte und auch nach der Wende als einer der besten deutschen »Leistungsvererber« galt.
Wie zu erwarten hatte das »DDR«-Warmblut mit dem gleichnamigen Staat ausgedient. Seither rekonstruiert man die alte Mecklenburger Warmblutrasse - trotz allen Erfolgs mit dem nun altbekannten Ergebnis: Die Pferde können es den Menschen einfach nicht recht machen. Immerhin diese Konstante gilt im Pferdestall.
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