Emotionen aus der Gründerzeit

Bayern München und Borussia Dortmund dominieren die Bundesliga in allen Belangen

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn die 51. Bundesliga-Saison am Freitag in München mit dem Auftaktspiel des FC Bayern gegen Borussia Mönchengladbach eröffnet wird, dann geht es im Meisterschaftskampf im Grunde allein darum, ob Borussia Dortmund stark genug ist, dem Titelverteidiger FCB die Stirn zu bieten.

Aus den Gründerzeiten der Bundesliga erzählen Zeitzeugen oft mit leuchtenden Augen. Weil so viele Emotionen daran hängen. Wie bei Hans Joachim Watzke, der einst als Sechsjähriger an der Hand seines Vaters ins Stadion Rote Erde pilgerte, um am vorletzten Spieltag der Saison 1965/66 den Meisterschaftskampf zu verfolgen. Eine Auseinandersetzung zwischen Dortmund und München, doch nicht der FC Bayern, sondern der bei der Ligagründung als einziger Münchner Verein aufgenommene TSV 1860 schnappte der Borussia letztlich die Schale weg.

Der Sauerländer Watzke, damals der »Ackie« aus Marsberg-Erlinghausen, bemüht die Anekdote gern, um seine schwarz-gelbe Verbundenheit zu erklären. Entstanden in einer Zeit, in der die Spieler nicht mehr als 1200 Mark brutto im Monat verdienten und die Kameraleute in den Stadien erst drehen sollten, wenn der Ball sich im Strafraum befand. Symptomatisch ist es schon, dass sich der Vorsitzende der Geschäftsführung des längst börsennotierten Branchenriesen Borussia Dortmund gerade wieder an einem Widerpart aus der bayerischen Landeshauptstadt reibt. Nur bildet statt dem TSV 1860 der FC Bayern den Gegenpol.

Wenn am Freitag in München der Titelverteidiger gegen Borussia Mönchengladbach die Saison eröffnet, dann geht es im Kampf um die Schale allein darum, ob der BVB es diesmal schafft, das Rennen offen zu gestalten. Watzke legt vorab Wert darauf, dass Titelsehnsüchte nicht allein selig machend sind. »Wenn du permanent über 30 Jahre Erfolg haben möchtest, muss du Bayern-Fan werden. Den BVB-Anhänger macht die Leidenschaft aus.« Die vor dem Champions-League-Finale in London inszenierte Imagekampagne (»real love«) zielte genau auf diesen Unterschied ab. Und doch enteilen die zwei Giganten gerade im Gleichschritt den 16 anderen Erstligisten. Sportlich, wirtschaftlich und medial.

Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge kündigt demnächst einen Rekordumsatz von mehr als 400 Millionen Euro an, Watzke hält bald eine Größenordnung von mehr als 250 Millionen für realistisch. Beide Vereine sorgten zuletzt für rund ein Drittel vom Gesamtumsatz der Liga (2,08 Milliarden in 2011/2012). Rund 150 Millionen fließen bei den Roten ans prominente Personal, etwa die Hälfte kassiert die Belegschaft bei den Schwarz-Gelben. Zudem absorbieren Bayern und Dortmund die öffentliche Aufmerksamkeit: Die einen führen Trainerikone Pep Guardiola und Weltstars en masse vor, die anderen Entertainer Jürgen Klopp oder das Wechseltheater Robert Lewandowski auf.

Die Folge: Nur oder immer noch werden Vereine wie Werder Bremen, Hamburger SV, Eintracht Frankfurt, Hannover 96 oder auch der SC Freiburg als (starke) regionale Marke wahrgenommen. Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) finden sie diese Entwicklung gar nicht verwerflich. »Wir können ja nicht beklagen, dass die Bundesliga international lange nichts gewonnen hat und dann schlecht finden, dass vermehrt über die Champions-League-Finalisten berichtet wird«, stellt der DFL-Vorsitzende Christian Seifert heraus. »Niemand wird daran gehindert, eine tolle Story über Eintracht Braunschweig zu verbreiten.« Und wer Seifert die These von spanischen Verhältnissen auftischt, erntet insofern Widerspruch, »weil lange beklagt wurde, dass unserer Liga der weltweite Glamourfaktor fehlt.« Auch Reinhard Rauball mag in seiner Doppelfunktion als BVB- und Liga-Präsident - in letzterer wurde er am Mittwoch von allen 36 DFL-Klubs einstimmig für drei weitere Jahre im Amt bestätigt - in einer boomenden Bundesliga keine Zwei-Klassen-Gesellschaft erkennen. »Wir haben einen tollen Wettbewerb.« Kann die Liga nicht mit fünf verschiedenen Meistern und fünf Pokalsiegern in zehn Jahren aufwarten?

Das stimmt zwar - und doch wirkt es kaum mehr vorstellbar, dass Sensationstitel wie 2004 von Bremen, 2007 von Stuttgart oder 2009 vom VfL Wolfsburg auch 2013/2014 zustande kommen könnten. Den Bayern genügt mittlerweile die B-Besetzung, um solche Konkurrenten zu beherrschen. »Wir wollen eine emotionale Liga«, hat Rummenigge gerade ausgerufen. Doch als Anfang April nach einem 1:0 in Frankfurt die 23. Meisterschaft perfekt war, wirkten Spieler und Trainer fast gelangweilt. Um Emotionen wie aus den Gründerzeiten zu wecken, brauchte es beim Branchenführer eine internationale Bühne, die in diesem Jahr in London stand.

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