Stimmen der Fans
Piratenpartei zieht mit Fußball in den Wahlkampf
Ungefähr 600 000 Menschen besuchen in Deutschland Woche für Woche die Fußballstadien von der ersten bis zur dritten Liga. Fußballfans, die gleichzeitig Bürger sind, deren Rechte im Umfeld der Spielen aber oft mit Füßen getreten werden. Die Piratenpartei setzt im Bundestagswahlkampf auf Fans als Wähler.
»Die Innenminister von Bund und Ländern nutzen das Thema Fanrechte und Fankulturen nur, um immer stärkere Repressionen durchzusetzen.« Bernd Schlömer, Bundesvorsitzender der Piraten, macht am Donnerstag in der Wahlkampfzentrale der Partei in Berlin-Lichtenberg schnell klar, worauf es ihm ankommt. Die Tische vor ihm sind mit Wahlplakaten, aber auch mit Fanschals verschiedener Vereine bedeckt. Seit der Debatte um das Konzeptpapier »Sicheres Stadionerlebnis« der Deutschen Fußball Liga (DFL) im vergangenen Herbst, das bundesweite Fanproteste zur Folge hatte, ist die Aufregung merklich abgeklungen. Die Aufreger aber bestehen weiterhin.
Noch immer verhängen Fußballverbände und Polizei Kollektivstrafen für das Fehlverhalten Einzelner, noch immer werden mehrjährige bundesweite Stadionverbote ohne Anhörung der Betroffenen erteilt. »Vollkontrollen«, also Nacktkontrollen vor Betreten des Stadions liegen laut DFL im Ermessen des Vereins, sind also auch in dieser Saison möglich. Und trotz rigider Kontrollen wird Pyrotechnik vor allem in den Gästeblöcken der Stadien weiterhin unkontrolliert gezündet.
Auf diese Missstände will die Piratenpartei am Wochenende zum Bundesligastart mit einer Aktion vor 20 Stadien in ganz Deutschland hinweisen. Mit Flyern sollen den Besuchern die Forderungen der Partei nahe gebracht werden: Abschaffung der Kollektivstrafen, menschenwürdige Einlasskontrollen, Entkriminalisierung der Pyrotechnik um kontrolliertes Abbrennen zu ermöglichen, keine Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch polizeilich verhängte »Stadt- oder Bereichsbetretungsverbote«. Auch eine wichtige Forderung ist die Abschaffung der »Datei Gewalttäter Sport«. In dieser werden von der »Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze«, eine Behörde der Polizei in Nordrhein-Westfalen (NRW), Personen erfasst, gegen die im Zusammenhang mit Fußballspielen wegen Straftaten ermittelt wird. Stadionverbote und polizeiliche Auflagen wie Ausreise- oder Betretungsverbote können folgen, die gerne auch mal am Arbeitsplatz überbracht werden.
Von Fanvereinigungen wird die Datei seit Jahren kritisiert: Die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens setzt Sanktionen sofort in Kraft, ein möglicher Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens erfolgen manchmal erst Jahre später. Konstanze Dobberke, Vertreterin der Piraten-Projektgruppe »Fanrechte«, spricht von aktuell mehr als 18 000. »Ich hoffe, ich stehe da nicht drin«, fasst Schlömer sein Unbehagen zusammen. Nachfragen kann jeder: Dem Flyer, den die Partei am Wochenende verteilen will, liegt ein Auskunftsersuchen an die Polizei in NRW bei, ob und welche Daten über ihn oder sie in der Datei gespeichert sind.
Die Piraten wollen Fankultur und Fanrechte im Bundestagswahlkampf thematisieren. Warum? : »Der Fußball darf nicht länger die Spielwiese der Innenminister sein.« Solcher Politiker, die beim kleinsten Vorfall im Stadion härtere Sanktionen fordern und daraus große Politik machen. In den aktuellen Wahlprogrammen von CDU und SPD findet sich jedoch kein einziger Satz zu Fanfragen im Volkssport Nummer eins.
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