Sprinten unter Generalverdacht

Wer noch nicht beim Doping erwischt wurde, läuft am Sonntag um den WM-Titel über 100 Meter

  • Sebastian Stiekel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Normalerweise sind 100-Meter-Finals das große Highlight einer jeden WM. Doch nach dem Dopingskandal um Tyson Gay und Asafa Powell ist die Atmosphäre in Moskau anders. Alle, auch Superstar Usain Bolt, laufen am Sonntag unter Generalverdacht.

Zwei Stars gedopt, der Weltmeister verletzt und Superstar Usain Bolt nahezu ohne Konkurrenz? Für Justin Gatlin ist das alles kein Drama. »The show must go on«, sagte der Amerikaner und nahezu einzig verbliebene Bolt-Rivale vor dem Finale über 100 Meter bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau. Die Show soll also weitergehen - nur so einfach ist das gerade vor diesem Rennen am Sonntagabend nicht.

Im Zuge des Dopingskandals um den ehemaligen Weltmeister Tyson Gay (USA) und den ehemaligen Weltrekordhalter Asafa Powell (Jamaika) gibt es in der jüngeren Sportgeschichte wohl kein zweites großes Ereignis, das binnen kurzer Zeit so sehr an sportlichem Wert und vor allem öffentlichem Ansehen verloren hat. Noch vor einem Monat sah es so aus, als stünde der Olympiasieger und Weltrekordler Bolt vor dem vielleicht schwersten Rennen seiner Karriere. Gatlin hatte ihn gerade in Rom besiegt, Gay lag in der Weltjahresbestenliste vor ihm.

Medaillen – Wann und Wo

Bei den Leichtathletik-WM werden in 47 Entscheidungen Medaillen vergeben. Abwechselnd berichten die Sender ARD und ZDF täglich.

Samstag, 10. August ARD

Frauen: Marathon
Männer: 10 000 m

Sonntag, 11. August ZDF

Frauen: Weitsprung, Diskus, 10 000 m
Männer: 20 km Gehen, Zehnkampf, 100 m

Montag, 12. August ARD

Frauen: Kugel, 400 m, 100 m. Männer: Stabhoch, Hammer, 110 m Hürden

Dienstag, 13. August ZDF

Frauen: 20 km Gehen, Stabhoch, Siebenkampf, 3000 m Hindernis
Männer: Diskus, 800 m, 400 m

Mittwoch, 14. August ARD

Männer: 50 km Gehen

Donnerstag, 15. August ZDF

Frauen: Dreisprung, 400 m Hürden, 1500 m. Männer: Hochsprung, 3000 m Hindernis, 400 m Hürden

Freitag, 16. August ARD

Frauen: Hammer, 200 m
Männer: Weitsprung, Kugel, 5000 m, 4 x 400 m

Samstag, 17. August ZDF

Frauen: Hochsprung, 5000 m, 100 m Hürden, 4 x 400 m
Männer: Marathon, Speer, 200 m

Sonntag, 18. August ARD

Frauen: Speer, 800 m, 4 x 100 m
Männer: Dreisprung, 1500 m, 4 x 100 m

nd

 

Doch nach dem Dopingerdbeben vom Juli wird jeder, der am Sonntag in Moskau im Finale steht, unter einer Art Generalverdacht laufen. Für Bolt gilt dies besonders. Der deutsche Meister Julian Reus, der zusammen mit Martin Keller am Samstagvormittag in den Vorläufen startet, hat als einer der Ersten ausgesprochen, was lange Zeit nur gemunkelt wurde: »Wenn man eins und eins zusammenzählt und sieht, dass viele Läufer, die langsamer als er waren, erwischt wurden: Warum soll der schnellste Mann dann sauber sein?«

Die Atmosphäre in Moskau ist sehr speziell vor diesem Lauf - angespannt, still, beinahe schon verschämt. Normalerweise sind 100-Meter-Finals der Höhepunkt einer jeden WM. Doch diesmal? Der Jamaikaner verschwand beim öffentlichen Training seines Teams vorzeitig und ohne ein Wort zu sagen. Auch Gatlin saß beim Medientag der Amerikaner als einziger namhafter Athlet nicht auf dem Podium. Beide weichen dem Thema Doping erkennbar aus. Bolt, weil es ihm viel von seinem Glanz zu nehmen droht. Und Gatlin, weil er als schon zweimal überführter Sünder (2001 und 2006) kein allzu glaubwürdiger Ansprechpartner in dieser Frage ist. Was dann doch noch gesagt wurde in einigen Interviews, klang wie der Versuch, zu retten, was noch zu retten ist von der guten alten 100-Meter-Show. »Ich bin hier, um meinen Titel zurückzuerobern«, sagte Bolt in Anspielung auf seine Disqualifikation wegen Fehlstarts bei der WM 2011. Gatlin gab sich demonstrativ cool. »Bolt weiß, dass ich in Bestform antrete. Und ich weiß, dass er in seiner Bestform ist«, sagte der 31-Jährige.

Für die Deutschen Keller und Reus ist das noch immer eine völlig andere Welt. Auch sie sind in Bestform - erst vor einer Woche verbesserten beide in Weinheim ihren persönlichen Rekord über 100 Meter. Aber in Moskau wollen beide erst einmal nur die Vorläufe überstehen. Im besten Fall wackelt wie in Weinheim der schon 28 Jahre alte deutsche Rekord des Magdeburgers Frank Emmelmann von 10,06 Sekunden.

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