Verfluchtes Berlin

Alexander Ludewig über ein halbes Dutzend schwerer Tore von Herta BSC

  • Lesedauer: 2 Min.

Am Ende einer Reihe vieler Missverständnisse war die ganze Arbeit der Saisonvorbereitung dahin. Demut und Bescheidenheit hatte Hertha BSC nach dem Aufstieg in die 1. Liga in einer Endlosschleife gepredigt. Die Ansprüche in der zum Größenwahn neigenden Hauptstadt sollten so weit wie möglich nach unten gedrückt werden. Und nun das: Von der Videowand im Olympiastadion strahlte Hertha BSC nach den ersten Spielen der neuen Bundesligasaison als Tabellenführer.

Dabei fing alles so gut an. Gemäß der Vorgabe von Manager Michael Preetz, dass man von den Berlinern »keine Überdinge« erwarten darf, blieben 20 000 der insgesamt 74 000 Plätze leer. Lieber Sonnenbaden am See, statt Abstiegskrampf. Und auch die Mannschaft begann vielversprechend: Mit gebotener Zurückhaltung eines Aufsteigers überließen sie Eintracht Frankfurt in der ersten Viertelstunde das Fußballspielen und gestatteten den Gästen auch drei gute Einschussmöglichkeiten.

Spätestens beim Blick in die Sonntagszeitungen muss sich Jos Luhukay gedacht haben - Verfluchtes Berlin! »Hertha kann auch Bayern« titelte eine große Boulevardzeitung. Doch auch schon in der 89. Minute im Spiel gegen Frankfurt schwante dem seit langer Zeit bodenständigsten Hertha-Trainer Schlimmes. Fassungslos schüttelte er den Kopf und schlug die Hand vors Gesicht: Ronny hatte getroffen, zum 6:1-Endstand .

Genau, dieser Ronny, um dessen Vertragsverlängerung der Klub nach der überragender Zweitligasaison so erbittert gekämpft hatte. Aber auch jener Ronny, der sich im Heimaturlaub ein paar Kilogramm Wohlfühlspeck anfuttern durfte und den Luhukay zum Bundesligaauftakt 76 Minuten auf der Bank versteckte. Bloß nicht zu brasilianisch daherkommen als Aufsteiger. Das Zeichen der Genügsamkeit des Trainers hat die aufgebotene Elf aber nicht erkannt, schon gar nicht Ronnys Mittelfelddouble Alexander Baumjohann. Der hat eine brasilianische Ehefrau und ein Haus in Belo Horizonte - und spielte auch so.

So dauerte es nicht lange und die Fans besangen erst den endgültigen Abschied aus Liga zwei, dann den Spitzenreiter aus Berlin und letztlich den neuen Deutschen Meister Hertha BSC. An dieser Stelle ist wiederum Michael Preetz gefragt. »Wir haben aus unseren Fehlern gelernt«, sagte der Manager nach zwei Ab- und Aufstiegen vor der Saison. Was haben Sie denn gelernt? Demut und Bescheidenheit! Na dann, viel Erfolg.

Alexander Ludewig

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.