Enthüller unter heftigem Druck
Britischer Geheimdienst erzwingt Zerstörung von Snowdens Material
»Einen der bizarrsten Momente in der langen Geschichte des Guardian« nannte der Chefredakteur der renommierten Londoner Tageszeitung jetzt die Vorgänge. Alan Rusbridger berichtete, wie die linksliberale Zeitung von der Regierung Cameron gezwungen worden sei, Informationen über die Spähprogramme des US-Geheimdienstes NSA zu vernichten. Auf Grundlage von Dokumenten des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden hatte der »Guardian« mit Enthüllungen über die flächendeckende Überwachung für Schlagzeilen gesorgt. Schon 2010 war das Blatt mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren nach seiner Zusammenarbeit mit Wikileaks-Gründer Julian Assange bei der Veröffentlichung von US-Militärakten zur britischen Zeitung des Jahres gekürt worden.
Ein »sehr hochrangiger Regierungsvertreter, der angab, die Meinung des Premierministers zu vertreten«, habe ihn vor zwei Monaten aufgefordert, das gesamte Snowden-Material herauszugeben oder zu zerstören, so Rusbridger. Weitere Drohungen mit juristischen Konsequenzen seien gefolgt. Schließlich habe man unter Aufsicht von zwei GCHQ-Geheimdienstleuten im Keller des Zeitungsgebäudes mehrere Computerfestplatten und ein Notebook zerstört. Die Berichterstattung werde das aber nicht beeinträchtigen. Die Zerstörung einzelner Datenträger sei von »sinnloser Symbolik«, die »große Unkenntnis des digitalen Zeitalters« offenbare. Es dürfte wohl noch Kopien geben. Die Enthüllungsplattform Wikileaks verbreitete am Dienstag mehrere Links zu verschlüsselten Dateien, die sie als »Versicherung« bezeichnete.
Rusbridger kritisierte zudem das Vorgehen der Polizei gegen David Miranda, Lebensgefährte und Mitarbeiter des »Guardian«-Journalisten und Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald. Der Brasilianer war am Wochenende auf einer Durchreise stundenlang am Flughafen Heathrow festgehalten, verhört und eingeschüchtert worden; ihm wurden Laptop, Handy, Kamera und Speichermedien abgenommen. Auch die Londoner Opposition hat den Vorfall scharf verurteilt. Die brasilianische Regierung legte Beschwerde ein und spricht von »Exzessen und Irrwegen« im Kampf gegen den Terrorismus, die Organisation »Reporter ohne Grenzen« von einem »schockierenden Eingriff in die Pressefreiheit«.
Das Londoner Innenministerium verteidigte das Vorgehen der Polizei, wollte sich aber nicht konkret zu dem Fall äußern. Die US-Regierung bestätigte, dass sie von dem Verhör wusste, sei aber nicht involviert gewesen. Wie Rusbridger am Dienstag in der BBC mitteilte, wolle Miranda Zivilklage einreichen. »Dies war eindeutig ein Versuch der Einschüchterung«, erklärte Greenwald und kündigte einen publizistischen Gegenschlag an. Er besitze viel Material über den britischen Geheimdienst und werde sich jetzt verstärkt damit befassen.
Derweil haben die Ankläger im Prozess um die Weitergabe streng geheimer Dokumente an Wikileaks für den schuldig gesprochenen US-Informanten Bradley Manning 60 Jahre Haft gefordert. Die Verteidigung bat um Milde. Die Plädoyers in dem Militärverfahren bildeten den Abschluss einer 13-tägigen Anhörung über das Strafmaß. Es wird jetzt von Richterin Denise Lind festgesetzt.
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