Ein Puzzle der Erinnerung

Das NS-Dokumentationszentrum in Köln

  • Jürgen Schön
  • Lesedauer: 3 Min.

Monatelange Bauarbeiten im Rekordtempo - für Köln nicht gerade typisch - haben sich gelohnt. Das Kölner NS-Dokumentationszentrum (NSDOK) wuchs durch die Einbeziehung des Nachbarhauses um tausend Quadratmeter Nutzfläche Demnächst soll es hier auch ein Mahnmal geben. Das wäre vor gut 50 Jahren noch undenkbar gewesen. Lange Zeit waren Politik, Verwaltung und breite Öffentlichkeit nicht daran interessiert, die Geschichte der Stadt unterm Hakenkreuz aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Im Keller des »EL-DE«-Hauses - so benannt nach den Initialen seines Erbauers Leopold Dahmen - lagerten drei Jahrzehnte unberührt Akten aus der NS-Zeit. Dem engagierten Einsatz Kölner Antifaschisten ist es zu verdanken, dass nunmehr ein dunkles Kapitel Stadtgeschichte erhellt ist.

In diesem Haus hatte die Kölner Gestapo ihre Zentrale. Hitlergegner, Kriegsgefangene und nicht angepasste Jugendliche wie die Edelweißpiraten wurden im Keller verhört und gefoltert, Zwangs- und Fremdarbeiter im Innenhof ermordet, sogar noch, als die Amerikaner bereits einrückten.

Das Dokumentationszentrum wäre ohne das Engagement einiger Weniger nicht möglich gewesen. Vor vielen Jahren sollten die Zellen im ehemaligen Gestapo-Domizil frisch gestrichen werden. Die von den Häftlingen in die Wände geritzten Inschriften wären für immer verschwunden. Kurt Holl, Kölns alternativer Ehrenbürger, und Gernot Huber, Fotograf des alternativen »Kölner Volksblatts«, hatten kurz vor dem schändlichen Ansinnen die Inschriften fotografiert. Die »Renovierung« konnte verhindert werden. Die letzten Zeugnisse der Gemarterten und Gemordeten sind nun denkmalgeschützt. Der Rat der Stadt beschloss schließlich die Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums im »EL-DE«-Haus, das 1988 eröffnet wurde. Eine Dauerausstellung zeigt seitdem Kölner Alltag von 1918 bis 1945 zwischen Täterschaft, Anpassung und Widerstand. Das NS-Dok ist zugleich Bildungs- und Forschungsort.

Doch nicht nur die Vergangenheit ist Thema, auch die Gegenwart. Hier haben die »Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus« und die »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln« ihre Anlaufstelle. Es gibt Vorträge und Kongresse zu aktuellen Problemen, etwa zum Anti-Ziganismus.

Besonders stolz ist Direktor Werner Jung auf das »Geschichtslabor«. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Trödelladen, sogar an der Decke hängt, was einen Haushalt in den 1930er Jahren ausmachte. Künftig werden hier Schüler die Geschichte des Nationalsozialismus erforschen. Sie sollen wie bei einem Puzzlespiel die Details selber zu einem Gesamtbild fügen. Da gilt es beispielsweise die Frage zu beantworten, was ein Baströckchen, eine Milchkanne und eine Briefmarkensammlung gemeinsam haben. Alle drei Gegenstände stehen für ein jüdisches Schicksal, gehörten einem Jungen, der vor dem Holocaust mit seiner Familie in die USA emigrieren konnte.

Im Innenhof, der ehemaligen Hinrichtungsstätte, jahrelang von Autos zugeparkt und Müllcontainern versperrt, wird es ein DENK-mal geben. Noch in diesem Herbst sollen die den Hof begrenzenden Wände mit Spiegeln verkleidet werden, in denen der Besucher quasi mit sich selbst konfrontiert wird - so das Konzept des Berliner Künstlers Thomas Locher.

Zu den neuen Räumen spendierte sich das NSDOK auch einen neuen Internet-Auftritt. Er lädt zu einem virtuellen Rundgang durch die Ausstellungsräume ein und bietet Texte in acht Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Hebräisch, Niederländisch, Spanisch, Polnisch und Russisch. Eine Reverenz an die Nationen, deren Angehörige an dieser Stelle von der Gestapo gefoltert und hingerichtet wurden.

www.museenkoeln.de

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