Entschuldete private Haushalte

Verbraucherinsolvenz

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Trotz Krise werden die Deutschen immer reicher, wie Bargeldbestände, Wertpapieren und Bankeinlagen zeigen. Gleichzeitig nahm offensichtlich die Ungleichheit in der Verteilung der Einkommen und Vermögen sowohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland zu. Vor allem im Osten wird der untere Teil der Gesellschaft immer weiter abgehängt. Bundesweit gilt heute fast jeder sechste Bürger als von Armut bedroht. Damit nimmt auch das Risiko zu, sich zu überschulden.

Genaue Zahlen kennt selbst das Statistische Bundesamt in Wiesbaden nicht. Doch je nach Definition schwankt die Zahl der überschuldeten Haushalte zwischen knapp unter drei Millionen bis weit über drei Millionen. Tröstlich für Betroffene: Überschuldete sind nicht allein.

»Überschuldung« bedeutet, die Schulden bei Banken, Versandhändlern, Telekommunikationsunternehmen und anderen können vom Schuldner nicht mehr vollständig zurückgezahlt werden. Gründe für eine Überschuldung gibt es viele. Am stärksten betroffen sind Arbeitslose, große Familien, alleinerziehende Eltern, Migranten und geschiedene Ehepaare. Hinzu kommt eine wachsende Zahl an Rentnern.

Aber auch Familien mit mittleren oder gar hohen Einkommen leben »über ihre Verhältnisse« - sei es beim Konsum, sei es beim Erwerb eines Autos oder Bau eines Eigenheimes. Geht dann etwas schief, verliert man beispielsweise den lukrativen Job oder stirbt der Partner, stolpern viele Menschen in eine Schuldenfalle aus kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten. Auch Selbstständige und kleine Gewerbetreibende sind überdurchschnittlich betroffen.

Chance auf einen Neuanfang

Beigetragen zu der Überschuldung von etwa zehn Millionen Menschen in einem der reichsten Länder der Erde hat auch die Wirtschaft. Aggressiv wird von Unternehmen für den Konsum auf Pump geworben, und seit der flächendeckenden Einführung des Girokontos in den 70er Jahren wächst die Neigung der Verbraucher, »schnell mal das Konto zu überziehen« - der sogenannte Dispositionskredit, der den allermeisten Bankkunden vom Kreditinstitut eingeräumt wird, macht es möglich. Für viele Betroffene, die in der Schuldenfalle festhängen, scheint die finanzielle Lage aussichtslos.

Seit 1999 haben überschuldete Menschen jedoch eine Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang. Wenn alle anderen Möglichkeiten gescheitert sind, öffnet sich den Betroffenen ein Weg aus der Schuldenfalle: die Verbraucherinsolvenz!

Eine Verbraucherinsolvenz kann nach einigen Jahren zu einer vollständigen Entschuldung und zu einen Neustart bei null führen. So wurden zwischen 1999 - dem Jahr der Einführung einer neuen Insolvenzordnung - und 2011 nach Angaben der Bundeszentrale für Politische Bildung in Bonn rund 813 000 Anträge auf Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt. Im letzten Jahr kamen 95 560 Fälle hinzu. Die vielen Überschuldeten, die den Gang zum Insolvenzgericht meiden, werden hier jedoch nicht erfasst.

Wichtige Neuerungen

Bis vor Kurzem hatten zahlungsunfähige private Schuldner so die Möglichkeit, nach einer mindestens sechsjährigen Wohlverhaltensphase die restlichen Schulden erlassen zu bekommen. In dieser Zeit muss der verschuldete Verbraucher den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen Treuhänder abtreten.

Doch kurz vor Beginn der Sommerpause hat der Bundesrat einer von der schwarz-gelben Koalition eingeleiteten Reform der Verbraucherinsolvenz zugestimmt. Die wichtigste Neuerung: Überschuldete Verbraucher und Existenzgründer können künftig nach drei statt nach sechs Jahren aus ihren Schulden herauskommen. Einem Schuldner kann zukünftig die Restschuld erlassen werden, wenn er innerhalb von drei Jahren mindestens 35 Prozent der Forderungen seiner Gläubiger sowie die Verfahrenskosten zahlt. Fünf Jahre dauert es, wenn er zumindest das Verfahren bezahlen kann.

Es gibt Erste Hilfe

Erste Hilfe finden Betroffene bei Schuldnerberatungsstellen in allen Bundesländern, in (fast) allen Städten und Gemeinden. Empfehlenswert sind Beratungsstellen von Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbänden und der öffentlichen Hand. Daneben tummeln sich viele gewerbliche, oft unseriöse »Schuldnerberater«, die mit der Armut anderer selbst Kasse machen wollen.

Erste Infos kriegen Sie bei der Stadt- oder Kreisverwaltung, dem Insolvenzgericht oder finden Sie im Internet. Von Kochrezepten für »die letzten drei Tage vor dem Ersten« bis zur Adresse der nächst gelegenen, anerkannten Schuldnerberatungsstelle erfahren Sie unter www.forum-schuldnerberatung.de so ziemlich alles, was nützlich sein kann.

»Ermutigen«, den mühsamen, aber lohnenden Weg zur Entschuldung auf sich zu nehmen, möchte die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung. Die Arbeitsgemeinschaft ist eine Art Dachverband der bundesweit etwa 1700 öffentlichen BeraterInnen. Weitere Infos für Betroffene hat die AG zusammen mit dem Bundesfamilienministerium auf einem gesonderten Internetportal bereitgestellt unter www.meine-schulden.de.

Kostenloser Ratgeber

Wer es gern schwarz auf weiß mag, sollte zum Ratgeber »Geschafft: Schuldenfrei!« greifen. Schritt für Schritt zeigt das 198 Seiten starke Buch Strategien auf, um die Miesen dauerhaft loszuwerden. Den Ratgeber finden Sie kostenlos in vielen öffentlichen Bibliotheken oder in Infozentren von Verbraucherzentralen. Für 9,90 Euro plus 2,50 Euro für Porto und Versand kann man das Buch auch per Telefon unter (040) 248 32-104 oder im Internet unter www.vzhh.de bestellen. Hermannus Pfeiffer

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