Obama buhlt um Kriegsfreunde
USA-Präsident erwartet Zustimmung des Kongresses für Syrien-Angriff
Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, König Carl Gustaf, dazu die Regierungschefs aus Finnland, Dänemark, Island und Norwegen - Barack Obama hat sich für den heute beginnenden G20-Gipfel im russischen Petersburg am Mittwoch bei einem scharf bewachten Zwischenstopp in der schwedischen Metropole warmgelaufen. Der ist eigentlich eine Verlegenheitslösung. Ursprünglich wollte der USA-Präsident seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau treffen, doch der Fall Snowden sorgte schon vor Wochen für eine Washingtoner Absage des Termins.
In Stockholm wollte sich Obama nach der jüngsten Eskalation in Syrien nun von den Partnern aus Europas Norden zumindest symbolische Rückendeckung für einen begrenzten Militärschlag gegen das Assad-Regime holen. Dass der in Schwedens Bevölkerung nicht gerade auf Zustimmung trifft, zeigten die gestrigen Demonstrationen in der Hauptstadt. 2000 schwedische Polizisten und zusätzliche Sicherheitskräfte aus den Vereinigten Staaten hatten Teile der Innenstadt hermetisch abgeriegelt.
In den USA scheint dagegen zumindest im Kongress die Rückendeckung für den angekündigten Angriff zu wachsen. Auch der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hat sich inzwischen öffentlichkeitswirksam hinter Obama gestellt. Im Senat rührten Außenminister John Kerry, der Demokrat, und der republikanische Verteidigungsminister Chuck Hagel am Mittwoch (Ortszeit) stundenlang gemeinsam die Werbetrommel für einen Militärschlag.
Beide hatten als Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses vor elf Jahren der Vorlage von Präsident George W. Bush für eine Intervention in Irak zugestimmt - und es später öffentlich bereut. Zumal die kriegslegitimierenden angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins nie gefunden wurden. Sie waren eine Erfindung der Geheimdienste und des Pentagons. Das sei dieses Mal ganz anders. Die Beweise für den vorgeblichen Giftgasangriff der Assad-Truppen seien eindeutig, da gebe es »keinerlei Zweifel«, beteuerte Kerry, der zudem sicher ist, dass Assad »unser Stillschweigen« als Einladung verstehen würde, solche Waffen erneut straffrei einzusetzen. Aber auch für andere Diktatoren wie Terroristen und ihr Streben nach Massenvernichtungswaffen wäre das ein fatales Signal. »Iran hofft, dass Sie wegschauen«, beschwor der Außenminister die Senatoren, Nordkorea hoffe auf Zwiespältigkeit, die Hisbollah, dass der Isolationismus siegt: »Sie alle wollen unser Schweigen hören.« Deshalb bitte Präsident Obama den Kongress »um die Ermächtigung zu einer eng begrenzten Aktion, um Assads Fähigkeiten zu schwächen, erneut Chemiewaffen gegen sein Volk einzusetzen und gegen einen 100 Jahre geltenden internationalen Standard zu verstoßen«.
Die Bitte wurde aufgenommen und der Stimmungslage im Kongress, wo es nach den desaströsen Erfahrungen in Irak unter Demokraten wie Republikanern weiter Gegner eines erneuten militärischen Engagements der USA in der Region gibt, angepasst. Zeitlich auf 60 Tage begrenzt, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere 30 Tage, aber auf alle Fälle ohne Bodentruppen, so sieht eine Beschlussvorlage von Senatsmitgliedern für einen Militärschlag gegen Syrien vor. Nun muss der Auswärtige Ausschuss an diesem Vorschlag feilen, damit er in der nächsten Woche nach Ende der Sommerpause abgestimmt werden kann. Obama zeigte sich gestern zuversichtlich, dass der Kongress zustimmen werde.
US-Generalstabschef Martin Dempsey, gleichsam der Chefplaner des Angriffs, ließ offen, welche Ziele die abschussbereiten Tomahawk-Marschflugkörper in der Region anvisieren. Er erklärte aber, die Ziele sollten so ausgewählt werden, dass man die Kollateralschäden auf der Stufe »niedrig« halten könne. Wie viele tote Zivilisten das bedeutet, verriet er nicht. In verschiedenen aktuellen Meinungsumfragen sprachen sich weiter unverändert rund 60 Prozent der Befragten gegen US-amerikanische Luftangriffe in Syrien aus. Der leitende Bischof der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, Mark Hanson, befürchtet, dass eine militärische Intervention das Leiden syrischer Zivilisten verlängern werde. In einem Brief an Obama forderte er jetzt, die diplomatischen Bemühungen zu intensivieren.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.