Staatsfeind Nummer 1
Für Rekordmeister Eisbären Berlin beginnt heute mit neuem Trainer und einer Mannschaft im Wandel die 20. DEL-Saison
Der neue Cheftrainer ist ein Mann der deutlichen Worte: »Wir sind es gewohnt, dass wir die Gejagten sind«, sagt Jeff Tomlinson und spitzt die Situationsbeschreibung mit der martialischen Bemerkung zu: »Wir sind der Staatsfeind Nummer 1 auf dem Eis. Jeder will uns vom Thron stoßen. Aber wir werden uns zu wehren wissen.«
Doch für den 43-jährigen Kanadier, der von 2000 bis 2011 in verschiedenen Funktionen bei den Eisbären tätig war, darunter als Co-Trainer von Don Jackson, und in der vergangenen Saison etwas glücklos beim DEL-Rivalen Nürnberg agierte, ist die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte auch ein Wagnis. Denn als neuer Eisbären-Chefdompteur tritt er das schwere Erbe an, das der Erfolgcoach Jackson mit fünf Titeln in sechs Jahren hinterlassen hat.
- 14 Klubs: tragen in einer Doppelrunde bis März 52 Spiele aus.
- Liganeuling: Schwenniger Wild Wings (zurück nach 10 Jahren)
- Playoffs: Die ersten sechs Teams sind für das Viertelfinale qualifiziert, zwei Plätze werden unter 7. bis 10. ausgespielt.
- Punkte: Für einen Sieg in regulärer Spielzeit drei Punkte. Bei Unentschieden Verlängerung bis zu fünf Minuten mit vier gegen vier. Wer zuerst ein Tor schießt (»sudden death«), hat gewonnen. Fällt kein Tor, Penaltyschießen. Der Sieger erhält zwei Punkte, der Verlierer einen.
- Modus: Nicht nur im Viertelfinale, sondern auch im Halbfinale und Finale wird nach Modus »best of seven« gespielt. Bei Remis nach 60 Minuten wird so lange in 20-Minuten-Abschnitten mit fünf gegen fünf weitergespielt, bis ein Tor fällt.
»Ich weiß natürlich, dass eine Serie wie die der Eisbären mit sieben Titeln in neun Jahren nicht ewig hält«, sagt Tomlinson, »aber ich sehe viel Steigerungspotenzial in der Mannschaft. Die Eisbären haben in den zurückliegenden Jahren bewiesen, dass der von ihnen eingeschlagene Weg richtig ist. Wir wollen den Nachwuchs wieder mehr integrieren.« Die gezielte Förderung der einheimischen Talente war unter Jackson ein wenig ins Hintertreffen geraten.
»Der Nachwuchs wird bei mir eine echte Chance bekommen«, bekräftigt der neue Chef und nennt eine weitere Vision: »Nach sechs Jahren ist es für die Spieler Zeit, etwas Neues zu lernen. Wir müssen uns unbedingt in der Defensive verbessern. Hier haben wir zu viele Gegentore kassiert. Das war eine Folge des stark ausgeprägten aggressiven Offensivsystems. Wir wollen Neues im Über- und Unterzahlspiel auszuprobieren.«
Die beiden aus Nordamerika stammenden Verteidiger Casey Borer (früher Nürnberg) und Shawn Lalonde (Rockford) sollen das schwächste Kettenglied beim Titelverteidiger verstärken. Viel verspricht man sich auch vom 20-jährigen Neuling Alex Trivellato. Der gebürtige Italiener vom in der Oberliga spielenden Eisbären-Kooperationspartner FASS Berlin ist ebenfalls ein Verteidiger.
Dass drei Stürmer den Verein verlassen haben, dürfte angesichts des großen Angreiferpotenzials weniger Kopfzerbrechen bereiten, wobei über Nacht mit dem 26-jährigen Deutsch-Kanadier Kris Sparre ein Nationalspieler mit deutschem Pass verpflichtet wurde, der in der vergangenen Saison in Ingolstadt als Flügelstürmer 16 Tore erzielt hatte.
Neuer Trainer, verändertes Spielsystem, stärkere Integration junger Spieler - es wird eine nicht einfache DEL-Jubiläumssaison für die Eisbären, die noch etliche Baustellen haben. Nicht zuletzt angesichts des schwachen Auftritts in der European Trophy mit lediglich drei Siegen in den acht Gruppenspielen wittert die Konkurrenz in der DEL ihre Chance.
So glaubt auch das Gros der 14 DEL-Trainer, dass die Dominanz der Berliner in dieser Saison ein Ende finden könnte. Sie sprechen von drei Titelfavoriten: Berlin (zwölfmal genannt), Vizemeister Köln (11) und Mannheim (10). Tomlinson reagiert darauf professionell: »Mein Geheimfavorit ist Hamburg. Und wir? Wir werden weiterhin intensiv daran arbeiten, um das beste Team der DEL zu sein.«
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