Berlusconi sucht Flucht nach vorn

Ex-Premier Italiens will auch ohne Senatssitz in der Politik bleiben

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Silvio Berlusconi ist nicht zurückgetreten und hat auch der Regierung von Enrico Letta nicht das Vertrauen entzogen. Letztlich hat ein sichtlich gealterter Medienmogul, der durch unzählige Gesichtsstraffungen und mehrere Schichten Schminke immer mehr einer Marionette ähnelt, nur das wiederholt, was er seit Jahren sagt: Ich bin unschuldig, die Justiz verfolgt mich aus politischen Gründen, nur ich kann Italien vor dem Untergang retten.

»Man will mich mit Gewalt aus dem Weg räumen«, erklärte er am Mittwochabend zu bester Sendezeit. »Jetzt fordere ich euch auf, die Augen zu öffnen und zu reagieren«. Gleichzeitig beruhigte der 76-Jährige seine Anhänger, weil er »immer an ihrer Seite« stehen werde. Das geeignete Mittel, um gegen die »Katastrophe« zu kämpfen sei »Forza Italia«, die Partei, mit der Berlusconi vor fast 20 Jahren seine ersten Wahlen gewann und die er nun wiederbelebt. Er werde sie mit starker Hand führen – egal ob als Parlamentarier oder »einfacher Bürger«.

Die Regierung von Enrico Letta (Partito Democratico), der Berlusconis Rechtspartei »Volk der Freiheit« und die Partei des Ex-Ministerpräsidenten Mario Monti angehören, erwähnte der »Cavaliere« mit keinem Wort. »Seine Minister« hätten jedoch Initiativen für den Wirtschaftsaufschwung und gegen die »Steuerbomben« ausgearbeitet hätten. Berlusconi weiderholte mehrmals, dass »die Linke« ganz andere Vorstellungen von dem Weg habe, den man einschlagen müsse, weil sie »mehr Staat und mehr Steuern« wolle.

Die Kommentatoren sind sich nun nicht ganz einig darüber, wie Berlusconis Videoansprache zu bewerten ist. Einige sind der Meinung, dass der mehrfache Ministerpräsident Italiens eigentlich überhaupt nichts Interessantes gesagt habe, während andere sie für den Auftakt der nächsten Wahlkampagne halten. Berlusconi wolle die Regierung zwar nicht direkt stürzen, weil die Italiener das möglicherweise nicht verstehen würden, er heize das Klima aber so sehr an, dass es im richtigen Moment nur eines kleinen Funkens für Neuwahlen bedürfe.

Kurz nach Ausstrahlung seiner Rede lehnte der Immunitätsausschuss des Senats den Antrag ab, Berlusconi trotz seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs seinen Sitz in der zweiten Parlamentskammer zu belassen. 15 der 23 Ausschussmitglieder stimmten mit Nein. Eine endgültige Entscheidung steht aber noch aus: Vor Monatsende folgt eine weitere Ausschussabstimmung, bevor im Plenum der Kammer voraussichtlich Mitte Oktober ein endgültiger Beschluss fällt.

Berlusconi war am 1. August rechtskräftig wegen Steuerbetrugs bei seinem Medienkonzern verurteilt worden. Seine Anhänger argumentieren, dass das sogenannte Severino-Gesetz von 2012, wonach jeder zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilte Politiker sein Mandat verliert, nicht auf frühere Delikte anwendbar sei.

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