Krisenpolitik, Kapitalinteresse und die Linke: eine Studie

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.

Ingo Stützle, der unter anderem hier und hier schon in »nd« geschrieben hat, ist der Hinweis auf eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu verdanken. Sie trägt den etwas sperrigen Titel »Die Europapolitik des deutschen Machtblocks und ihre Widersprüche. Eine Untersuchung der Positionen deutscher Wirtschaftsverbände zur Eurokrise« und stammt aus der Feder von Frederic Heine und Thomas Sablowski.

Die 40-seitige Studie, so heißt es im Vorwort, soll »ein Beitrag zu einer historisch-materialistischen Erklärung der europäischen Krisenpolitik sein. Wir untersuchen hier Positionen deutscher Wirtschaftsverbände zur europäischen Krisenpolitik, weil wir davon ausgehen, dass das deutsche Kapital und seine Interessen für die Formierung der Politik der Bundesregierung eine entscheidende Rolle spielen, während die Bundesregierung zugleich ein zentraler Akteur bei der Gestaltung der europäischen Krisenpolitik war und ist. Zur Vermeidung von Missverständnissen muss dem allerdings sogleich hinzugefügt werden, dass wir nicht davon ausgehen, dass die deutsche Politik eins zu eins deutsche Kapitalinteressen repräsentiert.«

Untersucht wurden Positionen von Wirtschaftsverbänden im Zeitraum von Oktober 2009 bis Juli 2013, im Zentrum standen die jeweiligen Forderungen und Einschätzungen zur »Rettungspolitik«, also den staatlichen Maßnahmen gegen Bankencrashs, zu EFSF, ESM und der Staatsanleihenpolitik der EZB, zu Reformen der economic governance innerhalb der Europäischen Währungsunion sowie zum Umbau der Finanzmärkte und der Bankenregulierung: Heine und Sablowski schreiben dazu: »In strategischer Perspektive interessiert uns, wo Widersprüche und Konflikte innerhalb des Lagers der Unternehmer bestehen. Es ist wichtig, Konflikte innerhalb der herrschenden Klasse herauszuarbeiten, um Ansatzpunkte für ihre gezielte Vertiefung identifizieren zu können. Denn emanzipatorische Politik kann nur in dem Maße erfolgreich sein, in dem es gelingt, eine politische Einheit der subalternen Klassen gegen den Machtblock der herrschenden Klasse herzustellen und zugleich die Zersetzung dieses Machtblocks zu befördern.«

Schließlich heißt es: »Die Fähig­kei­ten zum muddling through der herr­schen­den Kräfte soll­ten nicht unter­schätzt wer­den. Ande­rer­seits sollte aber auch die Sta­bi­li­tät der Kräf­te­ver­hält­nisse nicht über­schätzt wer­den. Die Dis­kus­sion über eine Auf­lö­sung der Euro­päi­schen Wäh­rungs­union hat quer durch die poli­ti­schen Lager an Dyna­mik gewon­nen, seit­dem die national-konservativen und orthodox-neoliberalen Kräfte, die sich bis dato vor allem im Ver­band Die Fami­li­en­un­ter­neh­mer arti­ku­lier­ten, mit der Alter­na­tive für Deutsch­land einen par­tei­po­li­ti­schen Aus­druck gefun­den haben. Die Mas­sen­me­dien haben in den letz­ten Jah­ren mit ihrem natio­na­lis­ti­schen Dis­kurs den Boden für reak­tio­näre poli­ti­sche Ver­schie­bun­gen berei­tet. Unglück­li­cher­weise erscheint die rechte Kri­tik an der EU der­zeit stär­ker als die linke. Die Vor­stel­lung, man könnte der rech­ten Kri­tik am Euro das Was­ser abgra­ben, indem man die Dis­kus­sion über eine Auf­lö­sung der Euro­zone von links beför­dert, ist höchst gefähr­lich. Am Ende droht eine sol­che Tak­tik, die Linke zu spal­ten und wei­ter Was­ser auf die Müh­len der Rech­ten zu len­ken.

Es wäre auch falsch, die Kri­tik nur auf die neoliberal-autoritäre Ver­tie­fung der euro­päi­schen Inte­gra­tion zu kon­zen­trie­ren, die von der global-expansiven Grup­pie­rung vor­an­ge­trie­ben wird, weil diese die hege­mo­niale Frak­tion ist, und die reak­tio­nä­ren Posi­tio­nen der Fami­li­en­un­ter­neh­mer und der «Alter­na­tive für Deutsch­land» als unbe­deu­tend abzu­tun. Die Linke muss wei­ter­hin einen Kampf an zwei Fron­ten füh­ren: gegen die autoritär-neoliberale Wei­ter­ent­wick­lung der EU und gegen eine reak­tio­näre Kehrt­wende, wie sie die Fami­li­en­un­ter­neh­mer und die «Alter­na­tive für Deutsch­land» ver­kör­pern. Gegen­über die­sen bei­den Polen im Macht­block kann die Linke nur eine auto­nome Posi­tion ent­wi­ckeln, wenn sie klar­macht, dass die Ursa­chen der Krise letzt­lich nicht im Ver­hält­nis der Natio­nen, son­dern in den Klas­sen­ver­hält­nis­sen begrün­det sind.«

Die Studie gibt es hier als PDF zum Download.

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