Krisenpolitik, Kapitalinteresse und die Linke: eine Studie
Ingo Stützle, der unter anderem hier und hier schon in »nd« geschrieben hat, ist der Hinweis auf eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu verdanken. Sie trägt den etwas sperrigen Titel »Die Europapolitik des deutschen Machtblocks und ihre Widersprüche. Eine Untersuchung der Positionen deutscher Wirtschaftsverbände zur Eurokrise« und stammt aus der Feder von Frederic Heine und Thomas Sablowski.
Die 40-seitige Studie, so heißt es im Vorwort, soll »ein Beitrag zu einer historisch-materialistischen Erklärung der europäischen Krisenpolitik sein. Wir untersuchen hier Positionen deutscher Wirtschaftsverbände zur europäischen Krisenpolitik, weil wir davon ausgehen, dass das deutsche Kapital und seine Interessen für die Formierung der Politik der Bundesregierung eine entscheidende Rolle spielen, während die Bundesregierung zugleich ein zentraler Akteur bei der Gestaltung der europäischen Krisenpolitik war und ist. Zur Vermeidung von Missverständnissen muss dem allerdings sogleich hinzugefügt werden, dass wir nicht davon ausgehen, dass die deutsche Politik eins zu eins deutsche Kapitalinteressen repräsentiert.«
Untersucht wurden Positionen von Wirtschaftsverbänden im Zeitraum von Oktober 2009 bis Juli 2013, im Zentrum standen die jeweiligen Forderungen und Einschätzungen zur »Rettungspolitik«, also den staatlichen Maßnahmen gegen Bankencrashs, zu EFSF, ESM und der Staatsanleihenpolitik der EZB, zu Reformen der economic governance innerhalb der Europäischen Währungsunion sowie zum Umbau der Finanzmärkte und der Bankenregulierung: Heine und Sablowski schreiben dazu: »In strategischer Perspektive interessiert uns, wo Widersprüche und Konflikte innerhalb des Lagers der Unternehmer bestehen. Es ist wichtig, Konflikte innerhalb der herrschenden Klasse herauszuarbeiten, um Ansatzpunkte für ihre gezielte Vertiefung identifizieren zu können. Denn emanzipatorische Politik kann nur in dem Maße erfolgreich sein, in dem es gelingt, eine politische Einheit der subalternen Klassen gegen den Machtblock der herrschenden Klasse herzustellen und zugleich die Zersetzung dieses Machtblocks zu befördern.«
Schließlich heißt es: »Die Fähigkeiten zum muddling through der herrschenden Kräfte sollten nicht unterschätzt werden. Andererseits sollte aber auch die Stabilität der Kräfteverhältnisse nicht überschätzt werden. Die Diskussion über eine Auflösung der Europäischen Währungsunion hat quer durch die politischen Lager an Dynamik gewonnen, seitdem die national-konservativen und orthodox-neoliberalen Kräfte, die sich bis dato vor allem im Verband Die Familienunternehmer artikulierten, mit der Alternative für Deutschland einen parteipolitischen Ausdruck gefunden haben. Die Massenmedien haben in den letzten Jahren mit ihrem nationalistischen Diskurs den Boden für reaktionäre politische Verschiebungen bereitet. Unglücklicherweise erscheint die rechte Kritik an der EU derzeit stärker als die linke. Die Vorstellung, man könnte der rechten Kritik am Euro das Wasser abgraben, indem man die Diskussion über eine Auflösung der Eurozone von links befördert, ist höchst gefährlich. Am Ende droht eine solche Taktik, die Linke zu spalten und weiter Wasser auf die Mühlen der Rechten zu lenken.
Es wäre auch falsch, die Kritik nur auf die neoliberal-autoritäre Vertiefung der europäischen Integration zu konzentrieren, die von der global-expansiven Gruppierung vorangetrieben wird, weil diese die hegemoniale Fraktion ist, und die reaktionären Positionen der Familienunternehmer und der «Alternative für Deutschland» als unbedeutend abzutun. Die Linke muss weiterhin einen Kampf an zwei Fronten führen: gegen die autoritär-neoliberale Weiterentwicklung der EU und gegen eine reaktionäre Kehrtwende, wie sie die Familienunternehmer und die «Alternative für Deutschland» verkörpern. Gegenüber diesen beiden Polen im Machtblock kann die Linke nur eine autonome Position entwickeln, wenn sie klarmacht, dass die Ursachen der Krise letztlich nicht im Verhältnis der Nationen, sondern in den Klassenverhältnissen begründet sind.«
Die Studie gibt es hier als PDF zum Download.
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