»Faschisten raus«: Tausende demonstrieren in Griechenland
Anhaltende Empörung über Mord an linkem Rap-Musiker und Antifaschisten / Weitere Proteste in ganz Europa geplant
Athen (AFP/nd). Tausende Menschen haben am Donnerstagabend in Athen den zweiten Tag in Folge gegen Neonazis protestiert. »Faschisten raus«, riefen die Demonstranten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Auslöser der Proteste war der Mord an einem antifaschistischen Musiker. Der 34-jährige Rapper Pavlos Fyssas war in der Nacht zum Mittwoch in Keratsini erstochen worden. Ein mutmaßliches Mitglied der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte bekannte sich zu der Tat.
Aus Empörung über den Mord waren schon am Mittwochabend tausende Menschen auf die Straße gegangen. Dabei kam es in mehreren griechischen Städten zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Weitere Protestaktionen sind in den kommenden Tagen auch in anderen europäischen Hauptstädten geplant. Am Donnerstag fand im Athener Vorstadtbezirk Keratsini die Trauerfeier für das Opfer des Neonazi-Angriffs statt, an der hunderte Menschen teilnahmen.
Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras hat die Neonazis im Land nach der Tötung eines linken Aktivisten scharf angegriffen. »Wir werden den Epigonen der Nazis nicht gestatten, das soziale Leben zu vergiften«, sagte Samaras am Donnerstag im Fernsehen. »Die Demokratie ist viel stärker als ihre Feinde sich vorstellen können.« Politische Differenzen seien nicht mit Gewalt und schon gar nicht mit Blut zu lösen.
Der Tod des 34-jährigen Aktivisten hat eine erregte Debatte über die Grenzen der Demokratie und die Verfassungskonformität einzelner Parteien ausgelöst: Ein Abgeordneter der regierenden Konservativen warf dem oppositionellen Bündnis der radikalen Linken (Syriza) vor, nicht mehr auf dem Boden der Verfassung zu stehen. Die zweitgrößte Parlamentspartei beschuldigte die Konservativen im Gegenzug, das Klima seit Monaten anzuheizen, indem sie Syriza mit der neonazistischen »Chryssi Avgi« (Goldene Morgenröte) gleichsetze.
Die Partei selbst leugnet jede Verstrickung in die Tat. Der 45-jährige, geständige Täter sei nicht einmal Mitglied der »Chryssi Avgi« gewesen. Allerdings kursieren diesem Dementi zum Trotz im Internet Fotos und Videos, die ihn auf Parteiveranstaltungen zeigen. Man habe den Mordanschlag vom ersten Moment an scharf verurteilt, sagte ein Parteisprecher im Parlament. Als die Syriza am Donnerstag im Parlament eine Schweigeminute einlegen wollte, schloss sich die »Chryssi Avgi« dem Antrag an. Die Linke zog diesen daraufhin zurück. Die Schweigeminute wurde schließlich am Nachmittag nachgeholt, als die Fraktion der »Chryssi Avgi« abwesend war.
Regierungschef Samaras sagte den Neonazis in einer Fernsehansprache den Kampf an. Griechenland werde es nicht zulassen, dass diese »die Demokratie aushöhlen«, sagte Samaras. Die Regierung werde den »Nachfahren der Nazis« auf keinen Fall erlauben, »das soziale Leben zu vergiften, Verbrechen zu begehen, zu provozieren und die Grundlagen des Landes, das die Demokratie hervorgebracht hat, zu unterminieren«, fügte der Regierungschef hinzu.
Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, warnte nach der Gewalttat vor einer »extrem gefährlichen Entwicklung« in Europa. In Griechenland und auch in anderen Teilen Europas gebe es eine »echte Gefahr«, dass Hassreden zu Gewalt und kaltblütigem Morden führten, erklärte der Norweger. Die europäischen Staaten dürften nicht dulden, dass »radikale Gruppen demokratische Gesellschaften zerstören.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.