Werbung

Stadien des Todes

Die FIFA interessiert sich wenig für tote Arbeiter auf WM-Baustellen in Katar

Vom Fußballweltverband kam nicht viel: »Die FIFA ist sehr besorgt über die von den Medien aufgezeigten Missbräuche der Arbeitnehmerrechte und Bedingungen für die Bauarbeiter in Katar.« Ein paar dünne Zeilen als offizielles Statement auf die erschreckenden Nachrichten über tote Arbeiter auf den Baustellen der Fußball-WM 2022 in Katar. Die englische Tageszeitung »Guardian« hatte am Donnerstag veröffentlicht, dass allein im Zeitraum vom 4. Juni bis zum 8. August dieses Jahres 44 Arbeiter aus Nepal an Herzversagen oder Arbeitsunfällen gestorben seien.

Viel mehr könne man derzeit noch nicht sagen, antwortete die FIFA auf nd-Nachfrage. Man werde das Thema aber auf jeden Fall auf die Agenda der Exekutivkomiteesitzung Anfang Oktober setzen. Das Schweigen des Weltverbands hat einen guten Grund. Die Zahlen der Toten sind zwar neu, die unwürdigen Arbeitsbedingungen im Golfemirat sind es jedoch keineswegs. Längst müssten sie auf dem Plan der FIFA stehen.

Sharan Burrow, Generalsekretärin des globalen Gewerkschaftsdachverbandes ITUC, sprach schon Anfang April im »nd« (Ausgabe 8.4.) von »moderner Sklaverei« in Katar. Traurig, dass sie es nun in vielen anderen Medien erneut tun muss – es hat sich nichts geändert. Durch ein »Kafala« genanntes System sind die ausländischen Arbeitskräfte den Unternehmen ausgeliefert, die für sie bürgen. So sind mindestens zehn Arbeitsstunden am Tag bei 50 Grad Celsius, mangelnder Verpflegung und unwürdiger Unterbringung normal. Ausbleibende Zahlungen oder Lohnabzüge sind keine Seltenheit.

Mit ihrem Pass geben die ausländischen Arbeiter gleichzeitig ihre Würde bei der jeweiligen Firma ab. Einen Fürsprecher haben die über 1,2 Millionen ausländischen Arbeiter, die hauptsächlich aus Süd- und Südostasien nach Katar gekommen sind, auch nicht. Migranten dürfen den dort ohnehin fast bedeutungslosen Gewerkschaften gar nicht erst beitreten.

Die FIFA bestimmt die Regeln für die Ausrichtung ihrer Turniere bis ins kleinste Detail genau dann, wenn es ums Geld geht. Sie schreibt den Städten Werbe-Bannmeilen vor, damit ihre exklusiven Sponsoren auch exklusiv bleiben. Bei Missachtung drohen hohe Strafen. Wenn es um die Achtung der Menschenrechte und internationaler Normen geht, »die Bestandteil all unserer Aktivitäten ist«, wie die FIFA nicht müde wird zu betonen, nimmt sie es nicht so genau. Jin Sook Lee vom Zusammenschluss der Gewerkschaften des Bau- und Holzsektors BWI informierte den Weltverband schon im Frühjahr 2012 über die Missstände in Katar. Ein Jahr später klingt sie resigniert: »Sie waren nicht besonders aktiv.« Obwohl auch schon im Mai 2012 über 120 tote nepalesische Arbeiter gezählt worden waren.

Verantwortung will die FIFA nicht übernehmen. »Die WM ist erst in neun Jahren. Wenn wir objektiv sind, geht es in diesen Fällen gar nicht um die FIFA«, so ein Sprecher des Weltverbandes gegenüber »nd«. Viele der Sportstätten würden auch ohne die WM 2022 gebaut werden, heißt es. Und ob arbeitsrechtliche Vorgaben und Bedingungen zukünftig Auswahlkriterien bei der Vergabe eines WM-Turniers sein könnten, wisse man bei der FIFA auch noch nicht.

Die Vergabe der WM 2022 steht weiterhin unter Korruptionsverdacht, die Diskussion um die Verlegung des Turniers in den Winter wird kontrovers diskutiert. Nachdem nun endlich auch die Menschenrechtsfrage in den weltweiten Fokus gerückt ist, brachte der konservative englische Politiker Damian Collins am Freitag die Idee eines Boykotts wieder ins Spiel.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!