Noch kann Bert van Marwijk nicht, wie er will
Der neue Trainer vermittelt dem Hamburger SV im Schnelldurchgang ein Stück Halt - das 2:2 in Frankfurt war ein guter Anfang
Lambertus (»Bert«) van Marwijk war schon fast im Türrahmen angekommen, als ihm am Samstagabend im Erdgeschoss der Frankfurter Arena doch noch ein verräterischer Satz herausgerutscht ist. »Eigentlich bin ich ja ein Offensivtrainer.« Einer, der das 4-3-3-System präferiert, idealerweise noch Pressing predigt und auch Kurzpassspiel goutiert. Doch dafür braucht es die richtigen Spieler - und der Trainer hat den Hamburger SV gar nicht lange studieren müssen, um zu wissen, dass die aktuelle Belegschaft seines neuen Arbeitgebers von solchen Idealen weiter entfernt ist als die FDP von der Fünf-Prozent-Hürde.
Also standen während der ersten Arbeitstage die Vermittlung deutscher Tugenden wie Disziplin und Ordnung auf dem Lehrplan des Niederländers sehr weit oben. Vermittelt »in anderthalb Trainingseinheiten« (van Marwijk), im Schnelldurchgang hinter verschlossenen Türen. Insofern diente das 2:2 (1:1) bei Eintracht Frankfurt als Mut- und Muntermacher. »Der Punkt ist ein wertvoller Schritt - für die Mannschaft, das Vertrauen und die Moral«, so Sportchef Oliver Kreuzer.
Kreuzers Wunschtrainer erklärte den aus seiner Heimat angereisten Journalisten hinterher ausführlich auf Holländisch, was er im Detail beim Auftritt im Frankfurter Stadtwald gut und schlecht gefunden habe. Am besten fand der 61-Jährige das Resultat. »Es war nicht einfach mit dieser verunsicherten Mannschaft. Aber es war ein verdienter Punkt. Wir haben 90 Minuten lang versucht, in einer guten Organisation zu spielen.«
Dem ehemaligen niederländischen Nationaltrainer ging es beim Einstand darum, dem wackligen Gebilde erste Haltpunkte zu geben. Es spricht für die Cleverness des Ritterkreuz-Trägers des Ordens von Oranien-Nassau, mit dem HSV nicht den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Erstaunlicherweise fand sich in der Startelf auch der erst 17-jährige Innenverteidiger Jonathan Tah wieder, den Rodolfo Cardoso zuletzt ins kalte Wasser geworfen hatte. Die im Pokalspiel erprobten Ideen des Interimscoaches übernahm der Trainerroutinier allesamt.
Tore von Pierre-Michael Lassogga (45.+3) und Marcell Jansen (86.) sicherten den Teilerfolg bei der Eintracht. Auffällig, wie die vom Zick-Zack-Kurs unter Thorsten Fink offenbar stark verwirrten hanseatischen Angestellten ihren ehrenvoll ergrauten Chef priesen, der den meisten Spielern mit einem Augenzwinkern gratulierte. So als wollte der Lehrmeister nonverbal mitteilen: Dafür, dass ihr noch so jung seid, habt ihr das prima gemacht. »Ich bin froh, dass ein Trainer mit viel Erfahrung da ist. Der Einfluss war sehr deutlich: Wir standen taktisch geordneter, und wir hatten keine Angst, Fußball zu spielen«, sagte Rafael van der Vaart, der bekanntlich mit seinem Landsmann bei der Elftal am Ende nur selten auf einer Linie lag.
Linksverteidiger Jansen erklärte hernach, was eine klare Konzeption alles bewirken kann. »Für die kurze Zeit hat uns der Trainer sehr, sehr gut eingestellt. Wir waren ein ganzes Stück kompakter.« Auf die Frage, ob van Marwijk auf die Mannschaft einen positiven Einfluss gehabt habe, antwortete der Nationalspieler mit einem so lauten Ja, das durch den ganzen Frankfurter Kabinentrakt hallte.
Dem adrett gekleideten Familienvater aus Deventer schien die Rückkehr in die Bundesliga nach seiner Demission bei Borussia Dortmund im Winter 2006 sehr gefallen zu haben. Er habe ja schon bei der Anfahrt mit dem Bus gespürt, dass er hier wieder richtig sei. »Ich kenne die Bundesliga ja noch aus meiner Dortmunder Zeit. So etwas vergisst man nicht. Da ist man ganz schnell wieder drin.«
Eine ungefähre Vorstellung, wie die Hamburger Weiterentwicklung aussehen könnte, hat van Marwijk auch ausgeheckt. »Marcell Jansen, Heiko Westermann und René Adler, ein 17 Jahre altes Talent und Johan Djourou - das muss hinten normalerweise reichen. Im Mittelfeld haben wir ein paar sehr kreative Spieler. Wenn sie das Vertrauen haben, und die Mannschaft hat das Vertrauen, denke ich, dass wir uns steigern können.« Das wird nötig sein, um beispielsweise am kommenden Sonntag beim 1. FC Nürnberg zu reüssieren. Denn eines wissen all seine Vorgänger: Nichts ist beim HSV mittlerweile so verlässlich wie das stete Auf und Ab.
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