15.000 unterschreiben für Rot-Rot-Grün
Großer Zuspruch für Petition der Jusos / SPD-Chef Gabriel nennt erste Sondierung mit der Union »Aufwärmphase« / Joschka Fischer kritisiert Linkskurs der Grünen
Berlin (nd). Weit mehr als 15.000 Menschen haben sich inzwischen einer Petition angeschlossen, in der die Spitzen von SPD, Linkspartei und Grünen aufgefordert werden, »schnellstmöglich Koalitionsverhandlungen miteinander aufzunehmen«. Es gebe »nur eine Koalitionsmöglichkeit«, heißt es in dem im Internet verbreiteten Appell, »mit der die linken Parteien Deutschlands ihren eigenen inhaltlichen Ansprüchen gerecht werden können. Diese Variante heißt Rot-Rot-Grün.« Angestoßen worden war die Petition unmittelbar nach der Bundestagswahl von den Jusos in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Wähler von SPD, Linkspartei und Grünen hätten für diese Parteien gestimmt, »weil sie nicht nur einen Regierungswechsel, sondern in erster Linie einen Politikwechsel wollten«. Für eine solche Bundesregierung gibt es im Parlament eine Mehrheit der Mandate, eine rot-rot-grüne Koalition könne »statt blanken Egoismus und Marktradikalität, Solidarität und das Streben nach Gemeinwohl« zu den Leitfäden des politischen Handelns machen.
Schon einzelne Forderungen wie die nach einem flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn, nach Angleichung der Renten, nach doppelter Staatsbürgerschaft oder einem gerechteren Steuersystem seien jeweils für sich »schon ein Argument gegen eine Koalition mit der CDU und eine Regierung unter Angela Merkel, denn mit der CDU wird weder eine soziale noch eine ökologische Wende in Deutschland zu machen sein«, heißt es in dem Appell.
Derweil zeichnete sich nach der ersten Sondierung zwischen Union und SPD am Freitag eine Annäherung ab. Vertreter beider Seiten sprachen nach dem Treffen in Berlin von »guter, sachlicher, konstruktiver Atmosphäre« (CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe) bzw. »aufgeschlossenen Atmosphäre« (SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles). In den Zeitungskommentaren war von überwindbaren Hindernissen die Rede, Kommentatoren sprachen aber auch von dem Eindruck, dass ein besonders langer Weg bis zur Regierungsbildung gewählt werde, »bis die Wahlversprechen vergessen sind«, so etwa die »Frankfurter Rundschau«.
Am Freitagabend erklärte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in einem ZDF-Interview, es habe sich bei dem ersten Aufeinandertreffen um eine »Aufwärmphase« gehandelt: »Das Spiel ist noch nicht angepfiffen.« Für die Sozialdemokraten gehe es weiterhin darum, sozialdemokratisches Profil zu zeigen: »Dinge in Deutschland zu verändern, die wir glauben, verändern zu müssen«. Wie verlautete, sollen zu den Themen des ersten Sondierungstreffens der Erhalt der Infrastruktur, Bildung und Familie sowie der Arbeitsmarkt gehört haben.
Die Spitzen von Union und SPD treffen sich am 14. Oktober erneut. Bereits am kommenden Donnerstag werden Union und Grüne zu einer ersten Sondierung zusammentreffen. Spitzenpolitiker der CDU ließen sich Ende dieser Woche in den Zeitungen mit dem Hinweis zitieren, Schwarz-Grün sei eine ernsthafte Alternative. Der frühere Bundesaußenminister und Grünen-Politiker Joschka Fischer sagte, die Wähler hätten gesprochen, daraus müssten die Parteien nun etwas machen. »Umfragen zeigen auch, eine große Mehrheit hat als Priorität Nummer eins die große Koalition«, sagte Fischer der »Leipziger Volkszeitung«. Dass dies nun aus taktischen Gründen irgendwelchen Parteigranden nicht in den Kram passe, sei deren Sache.
Fischer drängte die Grünen zugleich, von linken Positionen abzurücken. »Die Linksverschiebung war ein Fehler. Da sind wir am Schwächsten gewesen. Das kann die SPD besser. Das kann die Linkspartei besser«, meinte Fischer. Er habe die Partei schon nach dem Wahlparteitag gewarnt: »Oh, oh, das wird schief gehen. Man kann nicht von den Leuten verlangen, wähl mich und dann wird es bitter für dich.« Fischer meinte damit die Forderung nach einer angemessenen Besteuerung von Vermögen und Einkommen.
Zugleich erklärte der Ex-Außenminister die Bundestagswahl zu einer Zeitenwende. Das Ergebnis ziehe koalitionspolitische Tabubrüche dauerhaft nach sich, sagte er der »Leipziger Volkszeitung«. »Wenn diese ganzen Übungen mit diesen Sondierungen jetzt einen Sinn haben, dann ist es, dass die Tabus abgeräumt werden. 2017 wird weder Rot-Rot-Grün noch Schwarz-Grün noch ein Tabuthema sein.« All das werde im Bereich des Machbaren liegen. »Insofern hat sich dann die Republik ein Stück weit wirklich verändert.«
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