Land ist ein Synonym für Macht

Pater Alberto Franco über die Friedensverhandlungen in Kolumbien und die Frage der Menschenrechte

  • Lesedauer: 3 Min.
Pater Alberto Franco arbeitet für die kirchliche Menschenrechtsorganisation »Gerechtigkeit und Frieden«. Der katholische Seelsorger ist 53 Jahre alt. Er sieht sich immer wieder massiven Morddrohungen ausgesetzt, weil er sich für den Erhalt der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und die Ernährungssouveränität in Kolumbien einsetzt. Mit ihm sprach für »nd« Knut Henkel.
Pater Alberto Franco
Pater Alberto Franco

nd: Nach rund fünfzig Jahren Bürgerkrieg wird in Kolumbien derzeit über den Frieden verhandelt - ein Hoffnungsschimmer?
Franco: Oh ja, für das ganze Land und wir beobachten die Verhandlungen in Havanna sehr genau, kritisieren aber, dass die Zivilgesellschaft dort nicht präsent ist.

Sie mussten Bogotá dieses Jahr bereits einmal fluchtartig verlassen, was ist passiert?
Dieses Jahr ist für unsere Menschenrechtsorganisation »Gerechtigkeit und Frieden« sehr schwierig. Es hat Mordanschläge auf unseren Mitarbeiter Danilo Rueda und mich gegeben. Zudem landete unsere Organisation aufgrund von manipulierten Anschuldigungen im Fokus der Ermittlungsbehörden und unsere Mails und Telefonate werden mitgehört und mitgelesen. Wegen der brisanten Situation musste ich Bogotá Mitte Mai verlassen.

Ihre Organisation begleitet Kleinbauern, die zurück auf ihre Farmen wollen. Welchen Interessen läuft das zuwider?
Wir begleiten indigene und afrokolumbianische Gemeinden sowie Kleinbauern, die dafür kämpfen, auf das Land zurückzukehren, von dem sie mit Gewalt vertrieben wurden. Oftmals wurden auf diesen Ländereien Palmöl- oder Bananenplantagen angelegt, manchmal werden Erdöl oder andere Rohstoffe vermutet und ab und zu sind diese Flächen für Infrastrukturprojekte interessant. Hinter diesen gewaltsamen Vertreibungen durch Paramilitärs stecken meist handfeste ökonomische Interesse. Die benennen wir und machen uns damit nicht nur Freunde.

Wie funktioniert die Arbeit Ihrer Organisation - begleiten Sie Gemeinden direkt bei Ihrer Rückkehr auf ihr Land?
Ja, wir haben Teams, die einige Gemeinden konkret begleiten und beraten. So zum begleiten wird das indigene Volk der Nasa in Putumayo, im Süden Kolumbiens und das hat sich bei anderen indigenen Ethnien, die für ihre Landrechte kämpfen und bedroht werden, herumgesprochen. Sie traten an uns heran mit der Bitte um Begleitung und wir haben eine Vereinbarung getroffen. Aber wir haben in Bogotá auch Anwälte, die hier tätig sind, ein Team, das Öffentlichkeitsarbeit macht und den Stab für die Koordination.

Zahlreiche Gemeindevertreter stehen auf den Todeslisten von Paramilitärs. Weshalb?
Ja, so will man die Vertreter der Zivilgesellschaft entmutigen, Organisationen zerstören und das Eintreten für eine Landreform und die Ernährungssouveränität blockieren. Kolumbien braucht jedoch mehr Partizipation der Zivilgesellschaft, ein stärkeres Eintreten für den Schutz der Menschenrechte und konkrete Konzepte für die Entmilitarisierung ganzer Regionen und die Reintegration von Guerilleros, Soldaten und Paramilitärs.

Welche Rolle spielt die Landfrage und die »integrale Landreform«, die zwischen Regierung und der FARC-Guerilla in Havanna vereinbart wurde?
Das Land befindet sich im Fokus des Konfliktes, die bewaffneten Kämpfe drehen sich seit mehr als fünfzig Jahren um das Land und dessen Verteilung. Land ist ein Synonym für Macht, denn die politisch aktiven Familien Kolumbiens sind auch immer auch Großgrundbesitzer.

Was kann die Zivilgesellschaft in Deutschland tun, um zu helfen?
Viel, denn eine Postkartenaktion wie sie vor ein paar Wochen zur Schutz der afrokolumbianischen Gemeinden im Chocó stattfand, setzt die Verantwortlichen in Kolumbien unter Druck. Zehntausend Unterschriften wie bei dieser Aktion sorgen für unbequeme Nachfragen und schützen die Interessen der Gemeinden, die dort im Nordosten Kolumbiens für die Rückkehr auf ihr Land kämpfen.

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