A Hard Day’s Night

Die Saison der spitzen Schreie oder: Vor 50 Jahren begann »Beatlemania«

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Oktober 1963 brach in der Musikwelt ein Phänomen aus, was als »Beatlemania« in die Geschichtsbücher einging.

Der erfolgreichste Beatles-Film kam 1964 heraus, sollte »Beatlemania« heißen und wurde erst in letzter Minute nach ihrem Hit »A Hard Day’s Night« benannt. Er basiert auf dem Musikalbum und dokumentiert Beispiele massenhafter Hysterie um die Pilzköpfe. Die Beatlemanie war kurz davor, im Oktober 1963, geboren worden - in Glasgow, vor genau 50 Jahren. Konzertveranstalter Andi Lothia, heute 73, hatte John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr bereits Januar 1963 in Glasgow verpflichtet. Doch da spielten die jungen Beatles vor ganzen 15 Leuten. Im Oktober desselben Jahres buchte Promoter Lothia die Band wieder, diesmal im »Odeon«, und die Musikwelt hatte sich in den neun Monaten gedreht.

Die Beatles besaßen nun drei Nummer-eins-Hits und eine Nummer-eins-LP, und Schottlands größte Stadt erlebte einen Abend, als »wäre sie von einem Hurrikan getroffen worden«, wie der Londoner »Observer« jetzt schrieb. Es war »A Hard Day’s Night« und hätte fast in die Katastrophe gemündet: Der Fan-Ansturm war so groß, dass die Polizei den Veranstalter nötigte, die Band früher auftreten zu lassen. »Die Mädchen begannen uns zu überrennen«, so Andi Lothia. »Eines war im Begriff, sich an Ringos Schlagzeug zu vergreifen, während andere anfingen, die Stühle zu zerlegen. Die Hölle. Mädchen fielen in Ohnmacht, schrien. Der ganze Saal verfiel in kollektive Hypnose.« Als ein Reporter von Radio Scotland Veranstalter Lothia bestürmte: »Was geht hier ab?«, antwortete der Promoter: »Keine Angst, nichts weiter als Beatlemania.«

Die Wortschöpfung wird gewöhnlich dem »Daily Mirror« zugeschrieben, nach einem Beatles-Aufritt eine Woche später in Londons »Paladium«. Doch Andi Lothia besteht darauf, dass er den Begriff in die Welt setzte. In jedem Fall holte der Name nur nach, was sich als Phänomen 1963 und in den Folgejahren auf der Insel, in den USA, Australien und anderen Ländern etablierte: Spitze Schreie und massenhafter Begeisterungs-Orgasmus, Verfolgungsjagden auf John, Paul, George und Ringo und öffentliches Sich-Verzehren nach den Idolen.

Einen neuen Höhepunkt erreichte Beatlemania beim ersten US-Gastspiel. Angefangen von der Landung in New York bis zum Auftritt in der Ed Sullivan Show, brachten die vor allem weiblichen Teenies jede Veranstaltung der Liverpooler an den Rand der Entgleisung - ein Grund, weshalb die Gruppe nach 1966 Schluss machte mit Live-Auftritten. Die Sullivan Show verfolgten 75 Millionen am Fernseher. Philip Norman, von dem 1981 die bis heute beste Biografie der Beatles stammt, schreibt in »Shout!«: »An jenem Abend war Amerikas Kriminalitätsrate niedriger als zu irgend einer Zeit in dem vorangegangenen halben Jahrhundert … In allen fünf New Yorker Großbezirken wurde keine einzige Autoradkappe als gestohlen gemeldet.«

Vor den Beatles gab es vergleichbare Begeisterung nicht. Sinatra und Elvis erlebten ähnliche Eruptionen öffentlichen Dahinschwindens, doch sie waren nie flächendeckend wie bei Beatles-Gastspielen. Und dennoch: Die Nachsilbe »Manie« in Verbindung mit Musikaufführungen geht auf Klaviergott Franz Liszt (1811 - 1886) zurück. Kein anderer als Heine schrieb nach Liszts Pariser Auftritt 1844 von »Lisztomanie«: »Er ist hier, der moderne Amphion, der mit den Tönen seines Saitenspiels beim Kölner Dombau die Steine in Bewegung setzte, dass sie sich zusammenfügten, wie einst die Mauern von Theben.« Das Pariser Publikum hin und weg: »Welcher Jubel! Eine wahre Verrücktheit, unerhört in den Annalen der Furore.«

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