Thor Steinar soll verschwinden

Hannover: Proteste gegen Anziehungspunkt für Nazis

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor fünf Wochen hat in Hannover ein »Tønsberg«-Laden eröffnet, der die bei Rechtsextremisten beliebte Kleidung der Marke Thor Steinar verkauft. Seither hagelt es Proteste.

Mit einem Thor-Steinar-Laden ist es wie mit Fußpilz: Kommt plötzlich, macht Verdruss, ist nur schwer zu beseitigen. Dass solch eine Verkaufsstelle dennoch so rasch wie möglich verschwindet, ist das Ziel vieler Menschen in Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover, wo es seit September einen Anbieter der umstrittenen Marke gibt. Eingenistet hat sich der Laden in der Podbielskistraße, in einer als traditionell bürgerlich geltenden Gegend mit überwiegend gut situierten Bewohnern. Auch aus ihrer Mitte gibt es Protest gegen die Thor-Präsenz.

Es ist unbestritten, welcher Personenkreis sich gern im Thor-Steinar-Outfit zeigt: Nazis. Der Verfassungsschutz in Brandenburg, wo die Firma ihren Sitz hat, fasst zusammen: »Unter Rechtsextremisten ist die Marke beliebt und gilt als szenetypisches Erkennungs- sowie Abgrenzungsmerkmal.« Schriftzüge und Zeichen auf den Kleidungsstücken lassen Gedanken an NS-Symbolik wach werden - sind aber nicht derart nazitypisch, dass sie strafrechtlich als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingestuft werden können. Im Bundestag sowie in mehreren Stadien der Bundesliga ist das Tragen von Thor-Steinar-Kleidung verboten.

Seit Eröffnung des Geschäfts in Hannover protestieren dort zahlreiche Einwohner, vor allem an Wochenenden. Mehrere Hundert sind es nicht selten, die ihrem Unmut Luft machen. Polizei marschiert jedes Mal auf. Sie will verhindern, dass die Aktivisten dem Laden zu nahe kommen und hat schon Pfefferspray gegen junge Antifaschisten eingesetzt. Auch Kommunalpolitiker waren und sind vor Ort, denn auch ihnen ist Thor Steinar ein Dorn im Auge.

Der Wunsch, das Geschäft loszuwerden, ist parteiübergreifend. Im rot-grün geführten Rat der Stadt wird der Protest mit getragen. Auch CDU-Fraktionschef Jens Seidel erklärte: Der Laden ziehe »durch den Vertrieb der geschmacklosen Kleidungsstücke Neonazis an, die mit einer solchen Verkaufsstelle zusätzlich einen Treffpunkt bekommen«. Seine Fraktion appelliere an die Bürgerinnen und Bürger, »dort nicht zu verkehren und dort nicht einzukaufen«.

Nicht befolgt hat diesen Appell ausgerechnet ein Ratsherr: Thomas Schroer vom »Bürgerforum« in Hannovers Nachbarstadt Seelze ging am Samstag vor den Augen von fast 400 Demonstranten in den Laden und kaufte sich ein Sweatshirt. »Aus Protest« habe er das getan, zitiert die Hannoversche Allgemeine Zeitung den Mann, der vor Jahren für die Republikaner kandidiert haben soll. Seine Meinung: Die Demonstranten vor dem Geschäft verhielten sich ähnlich wie damals die Nazis, als diese zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen. Die SPD, die im Bürgerforum »rechte Leute« sieht, hat Schroer zum Rücktritt aufgefordert.

Mittlerweile hat sich eine Initiative »Gegen rechten Lifestyle in Hannover« gebildet. Der Protest wird weitergehen. Womöglich bewirkt er, dass Thor Steinar in Hannover ebenso dicht macht wie im September in Berlin-Friedrichshain in der Petersburger Straße. Dort hatte es parallel zu einem Rechtsstreit um das Geschäft ebenfalls Protestaktionen gegeben. Die Marke wird derzeit in zwölf Städten Deutschlands vertrieben und auch in Österreich.

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