Ein Auge auf die »Förderitis«
Die Beteiligungsgesellschaft in Sachsen-Anhalt wird Fall für einen Untersuchungsausschuss
Die Geldspritze hat sich gelohnt. Als Berliner Ingenieure 1999 auf einem Acker bei Bitterfeld im Süden Sachsen-Anhalts eine Firma aufzuziehen begannen, die Solarmodule herstellen sollte, gab das Land eine Kapitalspritze von vier Millionen. Eine gute Investition: Q-Cells legte bis zur Pleite im Jahr 2012 einen kometenhaften Aufstieg hin und wurde zum Kern des »Solar Valley« mit Tausenden Arbeitsplätzen. Und das Land erhielt seinen Einsatz mit 18 Millionen Euro gut versilbert.
Das Kapitel Q-Cells könnte zu den Ruhmesblättern der Industrie- und Beteiligungsgesellschaft (IBG) Sachsen-Anhalt gehören - hätte es nicht eine Schattenseite. Ihr Ex-Geschäftsführer Dinnies Johannes von der Osten hatte nicht nur Landesgeld in die Firma gesteckt, sondern sich an dieser auch privat beteiligt. Nach dem Börsengang machte er satt Kasse. Ein »eindeutiger Interessenkonflikt«, sagt Hartmut Möllring, CDU-Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt - den von der Osten »nicht offengelegt hat«.
Es ist nicht der einzige Schatten auf der IBG. Dafür sieht zumindest die Opposition in Magdeburg zahlreiche Hinweise. Der »Eindruck organisierter Verantwortungslosigkeit« drängt sich Frank Thiel auf, Wirtschaftsfachmann der LINKEN. Der Grüne Christoph Erdmenger sprach im September im Landtag von einer Institution, der es offenbar mehr auf den Abfluss der Fördergelder ankomme als auf die erreichte Wirkung.
Seit im Juli die Insidergeschäfte des später geschassten von der Osten bekannt wurden, versucht der Landtag Klarheit zu gewinnen. Weil die Auskünfte der Regierung jedoch nicht befriedigend erschienen, wird die Schraube heute angezogen: Die LINKE hat einen Untersuchungsausschuss beantragt. Da es sich um ein Minderheitenrecht handelt, gilt die Einsetzung als sicher. Nach Auskunft Thiels soll sich das Gremium, das von einem LINKE-Abgeordneten geleitet wird, nicht zuletzt mit der Arbeit von Aufsichtsrat und Beteiligungsausschuss der IBG beschäftigen. Über diese Gremien hat die Landespolitik Einfluss in der Gesellschaft, deren Geschäfte ansonsten 2007 privatisiert wurden - unter der Ägide des damaligen Wirtschaftsministers und heutigen CDU-Regierungschefs Reiner Haseloff. Das Management der Beteiligungen oblag seither der Firma »Goodvent« unter Ex-IBG-Chef von der Osten.
Doch nach welchen Kriterien schüttete die IBG Geld aus? Ziel ist es eigentlich, jungen Startup-Firmen mit »nachhaltigem und überdurchschnittlichen Wachstumspotenzial« aus Branchen wie Biotechnologie und Mikroelektronik zum nötigen Eigenkapital zu verhelfen. Im Sommer war aber bekannt geworden, dass auch ein Firmengeflecht Geld erhielt, an dem der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Klaas Hübner maßgeblich beteiligt ist. Kritiker bezweifeln, dass die Firmen die Kriterien erfüllen. Gefördert worden sei wohl »nach dem Prinzip Zufall und mit Vitamin B«, sagt Erdmenger. Manche Firmen, sagt Thiel, hätten offenbar »leichter Zugang« gehabt: »Das wirft Fragen auf.«
Wie sinnvoll aus Landessicht diese Art der - wie es Erdmenger nennt - »Förderitis« ist, bleibt umstritten. Minister Möllring nannte die IBG einen »wichtigen Ankerinvestor«. Die IBG-Beteiligungen in Höhe von 148 Millionen in Firmen hätten dort weitere 436 Millionen Euro Risikokapital privater Geldgeber nach sich gezogen. Der IBG selbst aber hätten Privatinvestoren viel weniger Kapital zur Verfügung gestellt als erhofft, sagt die Opposition: »Die Privatisierung ist krachend gescheitert.« Zudem habe das Land, das über die IBG vor allem EU-Gelder verteilt, fortwährend Verluste aus deren Geschäften ausgleichen müssen. Es sei also, sagt Thiel, eigentlich »ein Fass ohne Boden«.
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