Eine Frage des Vertrauens
Zum Umgang mit SPD und Grünen aus Sicht der Strömungen der Linkspartei
Der Weg führt über die Länder
Aus den Thesen der Sozialistischen Linken zum Ausgang der Bundestagswahl
Spitzenpolitiker der Linkspartei haben in den vergangenen Wochen immer wieder Angebote in Richtung SPD und Grünen formuliert. Nach den Bundestagswahlen ging es dabei unter anderem um die Möglichkeit, vor einer Regierungsbildung die Mehrheit der Mandate der drei Parteien im Parlament für die Durchsetzung politischer Initiativen zu nutzen - etwa zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Darüber hinaus stand aber immer auch generell die Frage des Verhältnisses der drei Parteien untereinander im Fokus.
Nach ebenso langer wie vehementer Ablehnung einer bundespolitischen Zusammenarbeit mit der Linkspartei seitens SPD und Grünen haben diese beiden Parteien nach der Bundestagswahl und mit Blick auf ihre eingeschränkten Machtoptionen zum Teil neue Töne verlauten lassen. Doch die Frage, was und mit wem in welchem Zeitrahmen an wirklicher politischer Veränderung in einer Koalition oder einem Tolerierungsmodell tatsächlich möglich wäre, bleibt in der Linkspartei weiter umstritten.
Nebenstehend sind Auszüge aus ersten Analysen des Wahlergebnisses von vier Strömungsorganisationen der Linkspartei dokumentiert. Bei der Auswahl wurde sich auf Antworten auf die »Regierungsfrage«beschränkt. Hinweise zu den vollständigen Texten finden sich jeweils am Ende der Passagen.
Die Sozialistische Linke wird meist als die gewerkschaftlich orientierte Strömung in der Partei bezeichnet, sie hat sich im Jahr 2006 gegründet. Das Forum Demokratischer Sozialismus ist aus dem Netzwerk Reformlinke und dem Forum 2. Erneuerung der PDS hervorgegangen, die linksreformerische Strömung ist vor allem im Osten stark. Die Antikapitalistische Linke trat ebenfalls im Jahr 2006 mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit, sie will Kräfte bündeln, »um im programmatischen Fundament der neuen Linken antikapitalistische Positionen zu verankern«. Die Kommunistische Plattform ist die älteste Strömungsorganisation der LINKEN, sie wurde Ende Dezember 1989 gegründet und versteht sich als »offen tätiger Zusammenschluss von Kommunistinnen und Kommunisten«.
DIE LINKE hat vielen Untergangsvorhersagen und der Ausgrenzungsstrategie aller anderen Parteien getrotzt. (...) Die Stabilisierung der LINKEN ist erfreulich. Aber zum Wahlergebnis gehört auch, dass DIE LINKE insbesondere bei ArbeiterInnen und RentnerInnen, bei Gewerkschaftsmitgliedern und bei »ProtestwählerInnen« Stimmenanteile verloren hat. (...)
DIE LINKE darf mit Forderungen nach einer anderen Wirtschafts- und Finanzpolitik, gerechter Steuerpolitik und Regulierung des Arbeitsmarktes nicht nachlassen. Es ist richtig, im Bundestag Forderungen wie einen gesetzlichen Mindestlohn zur Abstimmung zu bringen, die programmatisch von Rot-Grün unterstützt wurden. (…) Dass momentan Alles auf eine Große Koalition hinausläuft, ist vor allem der mangelnden Bereitschaft von SPD und Grünen zu einem wirklichen Politikwechsel und ihrer Ausgrenzungsstrategie gegenüber der LINKEN zu verdanken. (...)
DIE LINKE muss immer wieder deutlich kommunizieren, dass eine Zusammenarbeit daran scheitert, dass SPD und Grüne noch immer an der Politik von Hartz IV, an der Rente erst ab 67, an einer neoliberalen Ausgabenkürzungspolitik und an Kriegseinsätzen der Bundeswehr festhalten. Eine Zusammenarbeit scheitert nicht an vermeintlich »utopischen« weitergehenden Forderungen, die DIE LINKE deshalb aber nicht verschweigen oder aufgeben darf. Es muss nur klar gemacht werden, dass an den Unterschieden in diesen Punkten nicht die gemeinsame Durchsetzung derjenigen Forderungen eines Politikwechsels scheitern muss, bei denen eine Verständigung möglich wäre. (…)
Für Politik im Sinne sozialer, ökologischer, demokratischer und friedenspolitischer Fortschritte ist die Lage ungünstig, aber nicht aussichtslos. (…) Wenn es gelänge, eine überzeugende und mit einem fortschrittlichen Parteienbündnis durchsetzbare Alternative für einen Politikwechsel aufzuzeigen, könnte das eine politische Dynamik auslösen, die dies außerparlamentarisch trägt und wahl- und koalitionspolitisch möglich macht.
Deswegen ist es notwendig, dass eine konstruktive Kommunikation und Vertrauen aufgebaut werden zwischen allen politischen AkteurInnen, die eine andere Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen ernsthaft wollen. Wir unterstützen Gespräche mit Aktiven aus SPD, Grünen, Gewerkschaften und Verbänden, die für eine solche Politik nicht nur rechnerische, sondern auch politische Mehrheiten schaffen wollen. Klar muss dabei allerdings sein: Es geht um einen wirklichen Richtungswechsel. SPD und Grüne müssen dahin kommen, ihre in den Wahlprogrammen formulierten vorsichtigen Kurskorrekturen nach links ernsthaft durchzuführen und weiter zu entwickeln. Die Hoffnungen auf einen tatsächlichen Politikwechsel sind schon oft enttäuscht worden. Die Leidtragenden waren immer abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, MigrantInnen und sozial Benachteiligte. Statt konsequenter Friedenspolitik gab es neue Beschlüsse über Bundeswehreinsätze und Aufrüstungsprojekte. Als Folge sank die Wahlbeteiligung, die soziale Spaltung wurde größer. Dafür steht DIE LINKE nicht zur Verfügung und sie wird nicht zulassen, dass sich so etwas wiederholt. (…)
Eine hohe Verantwortung für künftige Mehrheitsbildungen und politische Inhalte liegt bei den Landesverbänden von SPD, Grünen und LINKEN, die vor die Frage einer möglichen Zusammenarbeit gestellt sind, wie aktuell in Hessen. Wenn es zukünftig gelingen soll, dass auch auf Bundesebene endlich mit einem Regierungs- auch ein Politikwechsel eintritt, müssen rot-rot-grüne Konstellationen auf Länderebene als »Feldversuche« für fortschrittliche Politik wahrgenommen und ernstgenommen werden.
Der vollständigen Text im Internet unter: dasND.de/SL2013
Nicht zum Projekt überhöhen
Einige Schlussfolgerungen aus der Bundestagswahl von Benjamin-Immanuel Hoff, Bundessprecher des Forums demokratischer Sozialismus:
Bei aller berechtigten Freude darüber, es erneut in den Deutschen Bundestag geschafft zu haben, darf nicht vergessen werden - wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Das Wahlergebnis zeigt im Westen, welche Herausforderungen die LINKE beim Parteiaufbau noch zu bewältigen hat im Osten die Erfordernisse bei der Sicherung von Parteileben und -strukturen angesichts weiterhin abschmelzender Mitgliederzahlen, Mitgliedsbeiträgen, Wahlkampfzuschüssen etc. (...)
DIE LINKE hat in der ersten Parteivorstandssitzung nach der Bundestagswahl mehrheitlich den Beschluss gefasst, SPD und Grünen anzubieten, in Sondierungsgesprächen zu ergründen, ob für eine rot-grün-rote (R2G) Zusammenarbeit Möglichkeiten bestehen und wenn ja, wo und in welcher Form. Wer die Auffassung vertritt, dass dies ein wohlfeiler Beschluss war, denn es läge ja auf der Hand, dass SPD und Grüne nicht bereit seien, dieses Angebot anzunehmen, irrt. (...)
Die Koalitionsoptionen der LINKEN sind bislang digital: 0/1. Entweder es kommt zu einem Bündnis oder die LINKE ist in der Opposition. Nimmt sie ihren eigenen Anspruch ernst, »Alle wollen regieren, wir wollen verändern«, dann muss dies nicht unbedingt ein Problem sein. Andererseits kann Daueropposition auch für die eigene Parteiorganisation schwierig sein, denn ebenso wie Dauerregieren dazu führt, dass eine Partei auslaugt, führt ewige Opposition zu latentem Absinken des Niveaus - die bayerische SPD ist dafür ein Beispiel.
Relativiert die LINKE ihren eigenen Anspruch an R2G, kann sie auch verbal gegenüber SPD und Grünen abrüsten. Sollten sich die auf Bundesebene, in Hessen oder in einem anderen Bundeslang gegen eine Zusammenarbeit mit der LINKEN entscheiden, ist das zwar ärgerlich aber zu akzeptieren. Es ist leider schlicht und einfach so, dass es neben politischen Inhalten auch andere Erwägungen gibt, die für oder gegen ein Regierungsbündnis sprechen. (…)
Zu diesen Erwägungen gehört auch, zu konstatieren, dass das Verhältnis zwischen SPD, Grünen und LINKEN mit dem Begriff »akkumulierte Enttäuschungserfahrung« freundlich umschrieben ist. Deutlicher formuliert könnte man sagen: Es besteht kein Vertrauen in die jeweils andere Partei. (...) Bereits auf Landesebene gesammelte Erfahrungen lassen sich leider nur schwerlich übertragen.
Kurzum: Der linksreformerische Teil der LINKEN tut gut daran, zur Ermöglichung von R2G oder Rot-Rot beizutragen, wo immer es geht. Er sollte gleichwohl dafür Sorge tragen, dass die Ambivalenz in der LINKEN beendet wird, rot-rot(-grünen) Bündnissen kritisch gegenüber zu stehen und dennoch auf Ablehnung durch SPD und Grünen mit der Attitüde des enttäuschten und beleidigten Liebhabers zu reagieren.
R2G oder Rot-Rot sollte nicht als politisches Projekt überhöht werden. (...) Koalitionen oder Tolerierungen sind Bündnisse auf Zeit. Nicht mehr, nicht weniger. Aber sie sind kein politisches Projekt für den gesellschaftlichen Politikwechsel, den wir uns wünschen. Er wird andererseits auch keineswegs beschleunigt, wenn wir uns Regierungen und Tolerierungen verweigern. Deshalb, dort wo es geht: nicht quatschen, sondern machen.
Der vollständige Text im Internet unter: dasND.de/fds2013
Ausdrücklich kontraproduktiv
Aus der Erklärung des Bundessprecherrates der Antikapitalistischen Linke zum Ausgang der Wahlen:
DIE LINKE hat mit einem Ergebnis von 3,75 Millionen Stimmen fast ein Drittel ihrer Stimmen von 2009 verloren. (…) Trotz der großen Verluste, fühlt sich die LINKE als Siegerin und wird in der Medienöffentlichkeit auch als eine solche wahrgenommen. Warum ist das so? (...) Die Antwort ist einfach, wird aber unglücklicherweise von vielen in der Partei selbst nicht gesehen. Die LINKE ist in ihrer kurzen Biografie als »neue« Partei wahrgenommen worden, als Vertreterin einer »neuen sozialen Idee« - und nicht als Sachwalterin und allenfalls Korrekturkraft des Alten. Das ist nicht gleichbedeutend mit einer umfassenden Akzeptanz des Programms der LINKEN oder gar mit ihrem Selbstverständnis als sozialistischer Partei. Aber es bedeutet, dass die LINKE vor allem wegen ihrer Gesamthaltung, wegen ihrer grundlegenden Andersartigkeit gegenüber den anderen Parteien gewählt wird. (...)
Die Abgrenzungsorgien, die »Ausschließeritis« wie die LINKEN-Vorsitzenden es immer nennen, der Medienboykott - all das könnte zu Gunsten der LINKEN gewendet werden, wenn es im Zusammenhang mit dieser grundsätzlichen Alternative und als Bestätigung der radikalen Kritik des bestehenden Kapitalismus aufgegriffen wird. (...)
Ausdrücklich kontraproduktiv sind die Bemühungen, die LINKE ausdrücklich nicht als grundlegende Alternative, sondern als Koalitionspartnerin oder als Regierung im Wartestand darzustellen. Die Menschen, die SPD, CDU und Grüne seit Jahren wahrnehmen, glauben doch sowieso nicht, dass diese Parteien ernsthaft etwas mit der LINKEN anfangen werden. Und wenn sie es glauben würden, dann hätte die LINKE schon sehr viel falsch gemacht. (...)
Die kommenden Monate und Jahre werden keine Jahre des harmonischen Zusammenhalts der Gesellschaft sein. Die Auseinandersetzungen um Klasseninteressen werden zunehmen und die stete Gefahr von neuen Kriegen wird uns begleiten. Unsere Abgeordneten müssen in diesen Fragen jederzeit, täglich, prinzipienfest und entsprechend der programmatischen Beschlüsse der Partei handeln.
Es ist kein Versehen, sondern logisches Ergebnis der realen politischen Verhältnisse, dass die linke Identität und die Einlösung des Programms der LINKEN in erster Linie aus der Opposition gegen die kapitalistische Normalität und ihre Parteien und Regierungen erwachsen. Erst auf der Basis einer solchen radikalen Opposition sind taktische und Bündnisfragen sinnvoll. Abgeordnete, die angetreten sind, das Parlament zu verändern, die aber stattdessen vom Parlament verändert wurden, die gab es und die gibt es leider schon mehr als genug. (...)
Einen Kapitalismus ohne die tägliche Herausforderung durch eine kämpferische, sozialistische linke Massenpartei wird es mit der LINKEN nicht geben - das überlassen wir Gabriel, Nahles und Steinbrück gerne freiwillig. Unsere KoalitionspartnerInnen sind die Millionen Menschen in Deutschland und dem Rest der Welt, die vom Kapitalismus genug haben.
Der vollständige Text im Internet unter: dasND.de/AKL2013
Opposition statt Mitregieren
Aus den ersten Überlegungen des Bundessprecherrates der Kommunistischen Plattform zu den Bundestagswahlen:
Der nicht zu unterschätzende Erfolg unserer Partei vom 22. September besteht darin, dass wir nicht - wie geunkt - am Ende sind, sondern als drittstärkste Fraktion in den Bundestag einziehen. (…)
Eine große Koalition ist nunmehr nicht unwahrscheinlich. Eine konsequente Opposition wird in jedem Falle nötig sein, auch und nicht zuletzt wegen der beunruhigenden Wahlergebnisse der AfD. Wir werden unsere Verantwortung nur dann wahrnehmen können, wenn niemand mit uns und niemand von uns taktische Spielchen veranstaltet. Genau dazu aber wollen uns Protagonisten der SPD und der Grünen offensichtlich verführen. (…) Zugleich spekulieren Journalisten, die SPD könne ja, sollte es zu einer großen Koalition kommen, aus einer solchen austreten und so Neuwahlen mit dem Ziel einer rot-rot-grünen Koalition erzwingen.
Wie realistisch oder unrealistisch solche Vorstellungen auch immer sein mögen: DIE LINKE sollte sich an solchen Spekulationen weder beteiligen, geschweige denn ihr politisches Handeln daran orientieren. Unser politischer Wille muss darauf gerichtet sein, gute Oppositionsarbeit zu leisten, und nicht darauf, fit zu werden für eine Regierungsbeteiligung im Bund. Letztere setzte voraus, die Staatsräson der BRD zu respektieren, deren Kern die außenpolitischen Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO und der EU darstellen. Dem Willen zur Regierungsbeteiligung im Bund stehen die programmatisch fixierten friedenspolitischen Prinzipien der Partei unversöhnlich gegenüber.
Der vollständige Text im Internet unter: dasND.de/KPF2013
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