Unterm Lärmteppich
Vor zwei Jahren wurde die neue Piste am Fraport eröffnet - der Protest dagegen geht weiter
Frankfurt am Main. Noch immer demonstrieren jeden Montag lärmgeplagte Bürger im Frankfurter Flughafen - bis zu 2000 Teilnehmer zählt die Frankfurter Polizei, zu Ferienzeiten sind es weniger. Seit zwei Jahren geht das so. Zum zweiten »Geburtstag« der neuen Nordwestlandebahn wollten die Demonstranten am gestrigen Montag von ihrem angestammten Kundgebungsort im Terminal 1 einen Ausflug zum Terminal 2 machen. Ihr Ziel ist unverändert die Stilllegung der Landebahn. Das Ergebnis der hessischen Landtagswahl im September hat sie dabei nicht weitergebracht.
Am 21. Oktober 2011 setzte eine Maschine mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an Bord als erste auf 25 R auf, wie die neue Nordwestlandebahn technisch heißt. Seitdem reißen die Proteste nicht ab. Zwar herrscht nun erstmals in Frankfurt ein Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr, aber auch das wird immer wieder durchbrochen. Und tagsüber ist der Lärm nun anders in der Region verteilt, weil Flugrouten verschoben wurden. Der Flughafenbetreiber Fraport kommentiert die Montagsdemos in der Abflughalle nicht.
Für die 2,8 Kilometer lange Piste 25 R wurden 280 Hektar Wald gerodet. Die reinen Baukosten bezifferte der Flughafenbetreiber Fraport zur Eröffnung auf 600 Millionen Euro, hinzu kommen die Verlagerung des Ticona-Chemiewerks (670 Millionen Euro) und der Umweltausgleich für rund 160 Millionen Euro. dpa/nd
Für den Betrieb auf Deutschlands größtem Airport habe die neue Landebahn erhebliche Verbesserungen gebracht, sagt ein Sprecher: »Die Pünktlichkeit hat sich wesentlich verbessert.« Die Nordwest-Bahn wird für jede zweite Landung genutzt, das sind derzeit rund 350 täglich. Das vermeidet Staus. Für rund 34 Millionen Euro baute die Deutsche Flugsicherung einen nagelneuen Tower, von dem aus die Lotsen alle vier Bahnen einsehen können. Der alte Tower am südlichen Flughafenrand war zu weit weg, von dort aus hatten die Lotsen keine Sicht auf die neue Bahn.
Angesichts der Proteste entfalteten die Flughafenplaner ungeahnte Aktivitäten. Es seien sehr viele Maßnahmen in Arbeit oder schon verwirklicht, sagt DFS-Sprecher Axel Raab. Ziel der Bemühungen sei mehr aktiver Schallschutz, das heißt weniger Fluglärm. Die Wege für startende und landende Flüge seien stark verändert worden. Anflugwinkel wurden vergrößert, Flughöhen angehoben. Gerade erst wurde für verkehrsarme Zeiten auch die sogenannte Eindrehhöhe ankommender Maschinen angehoben. Das bedeutet, dass die Maschinen sich in größerer Entfernung zum Endanflug einfädeln und dafür jeweils zwölf Kilometer mehr zurücklegen müssen.
»Das waren schon Herausforderungen, für die Lotsen wie für die Piloten«, sagt Raab. »Trotzdem werden wir die Bürger nie zufriedenstellen können.« Denn in der weiteren Umgebung können größere Flughöhen den Lärm zwar mindern, aber in der direkten Umgebung des Flughafens bleibt es laut, daran hat die DFS nie einen Zweifel gelassen.
Gemeinden, die gegen verschiedene Routen geklagt hatten, scheiterten vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof in drei Verfahren. In einem Fall kippte das höchste hessische Verwaltungsgericht eine Route, die sogenannte Südumfliegung. Dies aber nicht aus Lärmgründen, sondern weil mit ihr die angestrebte Kapazität des Flughafens nicht erreichbar sei. Rund zehn weitere Verfahren vor dem VGH sind noch anhängig.
Dem passiven Schallschutz sollen Sonderprogramme für Bewohner besonders belasteter Gebiete dienen, in denen es dichte Fenster und Türen gibt. Seit Eröffnung der Landebahn hat Fraport außerdem im Rahmen des Casa-Programms 214 Häuser in Lärmzonen angekauft. Rund 43 Millionen Euro sind nach Angaben des Unternehmens dafür aufgewendet worden. Insgesamt stehen 150 Millionen Euro für den passiven Schallschutz zur Verfügung. Zahlen, wie viele Menschen wegen des Lärms weggezogen sind, gibt es nicht.
Mehr Lärmschutz wollen alle Parteien in Hessens Landtag. Aber die Stilllegung der Landebahn - so weit geht nur die LINKE. Die Grünen wollen zumindest darauf hinwirken, dass das geplante dritte Terminal nicht gebaut wird. Auch im benachbarten Rheinland-Pfalz gibt es viel Unmut über den Fluglärm.
Im hessischen Wahlergebnis zeigt sich kein Einfluss der Lärmgegner: Gewählt wurde im Landestrend, und alle Direktmandate rund um den Airport gingen an die CDU, die immer für den Flughafenausbau war. dpa/nd
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