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Softversion der Daimler-Morde

WDR-Doku über Verbrechen von Mercedes in Argentinien

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.

Berichte aus Lateinamerika kommen im deutschen Fernsehen - privat oder öffentlich-rechtlich - eher selten vor. Erfreulich war daher die Ankündigung der ARD vor wenigen Wochen, eine aktuelle WDR-Produktion zu den Verwicklungen von Mercedes Benz in die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) auszustrahlen. Dabei handelt es sich um eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Industriegeschichte nach 1945: Vierzehn Gewerkschafter aus dem argentinischen Autowerk waren unter dem Militärregime verschleppt und wohl ermordet worden. Nach Zeugenaussagen war die Leitung von Mercedes Benz Argentina in die Delikte verwickelt.

Dass diese Geschichte endlich im deutschen Fernsehen zum Thema wird, ist begrüßenswert. Dennoch sorgt der Beitrag für Kritik, noch bevor er ausgestrahlt wird. Fachjournalisten und Aktivisten, die sich seit Jahren für eine Aufklärung der mutmaßlichen Verbrechen des Automobilunternehmens in dem südamerikanischen Land einsetzen, sind empört. Denn recherchiert wurde das Thema ursprünglich bereits 1999 von der deutschen Journalistin Gaby Weber - ausgerechnet für den WDR-Hörfunk. Die TV-Redaktion lehnte die Dokumentation Webers aber wiederholt ab, auch mit Verweis auf das Genre.

Dass der WDR das Thema nun an eine Produktionsfirma vergeben hat, die Webers aufwendige Recherchen quasi nachgedreht hat, sorgt nicht nur bei der Journalistin für Empörung. Mehrere Aktivisten lehnten Interviewanfragen des neuen Produzenten ab. Das linksgerichtete Gewerkschaftsportal Labournet publizierte den Film Webers und beteiligte sich an einer Spendenkampagne. Die Journalistin hatte ihre Produktion 2003 und die folgenden Aktualisierungen schließlich fast komplett selbst finanziert. Lediglich die »Stiftung Umverteilen« gab einen Zuschuss.

Ein Politikum ist der Fall aus zwei Gründen. Zum einen hat der WDR das Thema nach jahrelanger Ablehnung der bekannten Arbeit Webers schlichtweg nachproduzieren lassen. Zum anderen stellt der neue Streifen die Frage der Schuld des Konzerns weit weniger heraus, als dies im Original der Fall ist. Im Exposé des umstrittenen neuen Streifens hatten die Autoren noch angegeben, dass »kommunistische Guerillagruppen« zur Gefahr für Mercedes Benz geworden seien. Konnte der Konzern nicht anders handeln? Mitnichten, denn die These ist historisch schlichtweg falsch. Die Verwicklung der Mercedes-Manager in den systematischen Babyraub wird nicht einmal am Rande erwähnt.

Der öffentliche Protest Webers und weiterer Experten gegen diese Senderpolitik hat inzwischen auch die Verantwortlichen erreicht. Auf »nd«-Anfrage verteidigte der WDR die Entscheidung, den Fall an den ursprünglichen Recherchen vorbei neu verfilmen zu lassen. Man habe die neue Dokumentation 2012 und in diesem Jahr vor dem Hintergrund aktueller Klagen in den USA erstellen lassen, hieß es aus Köln. Auch Holger Hillesheim von der Produktionsfirma schoenfilm, die den Auftrag für den neuen Streifen bekommen hat, weist die Kritik zurück. Weber hätte als »Expertin und Zeitzeugin eine bedeutende Rolle in unserer Dokumentation einnehmen« können, so Hillesheim gegenüber »nd«. Dies habe sie jedoch abgelehnt. Das Thema gehöre nicht einer Journalistin, sondern »der Öffentlichkeit und insbesondere den Betroffenen und Überlebenden«. Familienangehörige der Ermordeten treten vor der Kamera freilich allerdings nicht auf.

Gaby Weber ist überzeugt: Hier soll »eine bestimmte Art des Journalismus abgestraft werden«. Tatsächlich haben ja ihre Recherchen den mächtigen und staatsnahen deutschen Autokonzern in die Enge getrieben und gezwungen, eine Untersuchungskommission einzurichten. Ob sie ihren Vorwurf eines Plagiats aufrecht erhält, will sie nach der Ausstrahlung der neuen Dokumentation von schoenfilm entscheiden.

Das kann nun aber noch einige Wochen dauern. Ursprünglich sollte der Film Ende September im ARD-Abendprogramm gezeigt werden. Inzwischen wurde er mehrfach verschoben und soll jetzt am 2. Dezember ins Programm genommen werden. An der Kritik liege das nicht, heißt es bei der ARD, wo man die Debatte aber durchaus wahrgenommen hat. Dass die neuen Produzenten zuvor ausgerechnet für die Daimler AG Werbefilme produziert haben, macht für die Auftraggeber und die Produktionsfirma die Position in der Auseinandersetzung nicht einfacher.

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