Experten sollen Verfassungsschutz entstauben

Fachleute arbeiten an Reform in Niedersachsen - zum Ärger der schwarz-gelben Opposition

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Einen »Neustart« des Verfassungsschutzes will Rot-Grün in Niedersachsen. Mit diesem Ziel befasst sich eine Expertenkommission, in der die schwarz-gelbe Opposition nicht vertreten ist.

In ihrer zehnjährigen Regierungszeit war für CDU und FDP die Reform des niedersächsischen Verfassungsschutzes kein Thema. Stets gab es aus ihrer Richtung nur gute Worte für die Schlapphüte und ihren obersten Chef, Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Nun aber, da sich Union und Freidemokraten mit der Oppositionsrolle begnügen müssen, wollen sie sogar eine Enquetekommission zum Reformieren des Inlandgeheimdienstes einsetzen.

In solch einem Gremium, so argumentierte Schwarz-Gelb jetzt im Landtag, wären alle Parteien vertreten. Nicht so in der von Rot-Grün gebildeten Expertenkommission, die an der Neuausrichtung der Sicherheitsbehörde arbeitet. Besonders sauer ist die Opposition darüber, dass auch Maren Brandenburger in der Gruppe mitwirkt, die neue Präsidentin des Nachrichtendienstes, die unlängst mehrere unrechtmäßige Bespitzelungen aufgedeckt hatte.

Statt jedoch das Für und Wider einer Enquetekommission in sachlicher Debatte zu erörtern, erging sich die Opposition in heftigen Anwürfen gegen Rot-Grün. Jens Nacke, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, festigte dabei wieder einmal seinen Ruf als verbaler Giftspritzer. Gleich zwei Mal rief er dem Innenminister zu: »Sie sind ein Sicherheitsrisiko für das Land Niedersachsen!« Pistorius sei »unfähig geeignetes Personal auszuwählen«. Das zeige auch die Ernennung der Verfassungsschutzpräsidentin. Sie leite ihre Behörde parteipolitisch orientiert und so schlecht, dass die Motivation ihrer Mitarbeiter »am Ende« sei. Nackes Groll gegen Maren Brandenburger führen Insider auf die Furcht der CDU zurück, die Präsidentin könnte beim Durchleuchten vergangener Beobachtungspraxis noch mehr dunkle Flecken aus schwarz-gelber Zeit entdecken. Weitere unerlaubt geführte Akten etwa über bespitzelte Journalisten, Rechtsanwälte, Atomkraftgegner und andere engagierte Menschen, die nicht ins politische Weltbild Uwe Schünemanns passten.

»Selbstverständlich müssen Akten angelegt werden«, polterte Jens Nacke, und zwar immer dann, wenn ein Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliege. SPD und Grüne täten sich schwer mit solchen Akten. Denn: Beide Parteien zögen »an ihrem linken Rand keine saubere Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit«. Lautstarker Protest im Plenum konnte Nackes Redefluss nicht stoppen. Das Bespitzeln der Grünen-Mitarbeiterin Julia Amthor durch den Verfassungsschutz, das im September für Aufsehen gesorgt hatte, wertete der CDU-Mann als Zeichen dafür, »dass mit den Grünen etwas nicht stimmt«.

Den Appell von SPD und Grünen, Nacke möge sich für seine »unverschämten und beleidigenden Äußerungen« entschuldigen, ignorierte der Abgeordnete. Dessen »unerträgliche Diffamierungen« seien wie eine Zeitreise in die Epoche des kalten Krieges, so kommentierte Innenminister Pistorius die Pöbelei. Die derzeitigen Probleme des Verfassungsschutzes seien das Ergebnis von zehn Jahren schwarz-gelber Sicherheitspolitik »mit unterschiedlicher Sehschärfe auf dem linken und dem rechten Auge«.

Die Enquetekommission dürfte ein Wunsch der Opposition bleiben. Zwar wird das Thema noch im Fachausschuss behandelt, doch SPD und Grüne haben im Landtag signalisiert, dass sie die Expertenkommission für ausreichend halten. Die Fachleute in jenem Gremium, betonte Boris Pistorius, seien »frei von einer Denke, die 30 Jahre alt und längst verstaubt ist«.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.