König der Flusspferde
Andreas Knieriem stellt sich erstmals offiziell als künftiger Zoo- und Tierparkdirektor vor
»Aber ich will die Flusspferde jetzt sehen«, schreit der kleine Junge an Mamas Hand und läuft rot an. Grund für den Kindeszorn ist der neue Zoo- und Tierparkdirektor Andreas Knieriem, der sich gestern erstmals offiziell in Berlin vorstellte. Ausgerechnet im Flusspferdehaus des Zoologischen Gartens, das für seinen Auftritt zwei Stunden geschlossen blieb.
Knieriem wird ab kommendem Jahr die Leitung der beiden Einrichtungen übernehmen, das steht bereits seit Ende September fest. Viel ist schon über seine neuen Visionen spekuliert worden, wenig Konkretes hat er bisher preisgegeben. »Ich schlafe mit Ideen zu meinem neuen Job ein und wache mit Ideen wieder auf«, gab er gestern zu. Nun ist nicht nur die Öffentlichkeit neugierig, wie es weitergehen wird, ganz besonders dürfte die über 400 Angestellten von Zoo und Tierpark interessieren, was sich ändern wird. Knieriem kennt die Geschichten um seinen Vorgänger und Noch-Chef Bernhard Blaszkiewitz und dass er mit seinen Mitarbeitern nicht immer gut auskam. »Wenn es um neue Visionen geht, werden sie auf keinen Fall ohne die Belegschaft entstehen«, sagte Knieriem. Details ließ er sich nicht entlocken. Er habe ja noch einen Vertrag in München und außerdem wäre es nicht sehr »redlich« gegenüber dem noch amtierenden Direktor, schon jetzt über Zukunftspläne zu fabulieren. Blaszkiewitz› Vertrag läuft noch bis Ende Juni und auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Zoos, Frank Bruckmann, kann sich nicht vorstellen, dass Knieriem seine Arbeit noch vor dem zweiten Quartal 2014 beginnt. Blaszkiewitz, zuletzt wegen des Umzugs eines Teils der Tierparkverwaltung ins Schloss Friedrichsfelde in der Kritik, will nicht vorzeitig zurücktreten. »Mein Vertrag geht bis zum 30. Juni 2014. Ich werde meine Pflicht bis dahin erfüllen«, sagte er dem »Tagesspiegel«.
Anfang August hatte sich der Aufsichtsrat der Zoo AG für einen Wechsel an der Spitze entschieden. In der Stellenanzeige für den Vorstand war von einer »fachlich und menschlich überzeugenden Persönlichkeit« die Rede. Knieriem hatte sich jedoch nie beworben, sondern wurde vom Aufsichtsrat direkt angesprochen. Pech für die über 40 anderen Interessenten.
Im Gegensatz zu Blaszkiewitz ist Knieriem allerdings kein Gegner von sogenannten »Erlebniszoos«, so viel ließ er durchblicken. »Berlin soll wieder Taktgeber in der internationalen Zoolandschaft werden«, so Knieriem. Dass er mit solchen Konzepten erfolgreich ist, hat er bereits bei einem seiner früheren Arbeitgeber, dem Zoo Hannover, bewiesen. Dort entwarf er mit anderen eine ostafrikanische Urwaldlandschaft namens »Gorillaberg« und einen indischen »Dschungelpalast«. Alles führte dazu, dass die Eintrittspreise auf 25 Euro stiegen und trotzdem immer mehr Menschen in den Zoo kamen.
Knieriem ist überzeugt von der Vision eines »gläsernen Zoos« in Berlin, zu der beispielsweise regelmäßige Schaufütterungen und Informationsveranstaltungen gehören. Von den Besuchern, heißt es, würden diese »Events« immer wieder nachgefragt und gefordert. Allerdings gingen solche Veranstaltungen nur damit einher, eine entsprechende Botschaft zu vermitteln. »Zoos sollen kein Mitleid gegenüber den Tieren hervorrufen, sondern das Bewusstsein dafür stärken, dass viele von ihnen auch vom Aussterben bedroht sind.« Von der Idee, Delfine als Hauptattraktion in den Zoo zu holen, hat sich Knieriem allerdings seit Langem verabschiedet, obwohl er von ihnen fasziniert ist und über die Säugetiere promoviert hat. Pandas kann er sich allerdings sehr wohl wieder in Berlin vorstellen. Dafür müsse man aber erst mal eine geeignete Anlage bauen. »Pandas gehören nach Berlin«, sagte Knieriem, der schon als 13-Jähriger nach einem Praktikum im Duisburger Zoo seine Berufung gefunden hatte.
Bei aller Euphorie, die der 48-jährigen Veterinärmediziner, der Teile seines Studiums in Berlin absolvierte, versprüht, macht ihm eines Kopfschmerzen: der Tierpark in Friedrichsfelde. Die Besucherzahlen und Einnahmen stagnieren seit Jahren und liegen weit hinter denen des Zoos zurück, auch wenn der noch durch sein Aquarium punkten kann. Der Tierpark nahm im letzten Jahr knapp 4,5 Millionen Euro durch Eintrittsgelder ein, der Zoo hingegen erwirtschaftete fast das Vierfache. Der Tierpark konnte bisher wenig vom großen Touristenboom Berlins profitieren, liegt er doch weit abseits der beliebten Stadtteile und Einkaufsmeilen.
Aber auch bei den Berlinern gibt es Nachholbedarf. Den Tierpark besuchen überwiegend Menschen aus dem Ostteil der Stadt. Einige Westberliner kennen ihn gar nicht, was Knieriem unbedingt ändern will. »Die große Frage ist, wie wir es schaffen, dass alle Berliner sagen: Zwei Zoos sind eher eine Bereicherung als eine finanzielle Last«, sagte er und räumte damit noch einmal alle Spekulationen über eine mögliche Schließung aus. »Klar ist jedoch, dass der Tierpark eine größere Herausforderung als der Zoo ist«, gab er schließlich zu, insbesondere was die Einnahmen beträfe. Dabei ist der Tierpark der flächenmäßig größte in ganz Europa, rund 8700 Tiere leben dort und zusammen mit dem Zoo besitzt er die größte Artenvielfalt der Welt. Trotzdem konnte im letzten Jahr nur knapp die Millionenmarke an Besuchen geknackt werden, in den Zoo kamen 2012 doppelt so viele. Das Land Berlin will künftig knapp fünf Millionen zur Renovierung bereitstellen. Viel zu wenig sei das, heißt es aus Expertenkreisen. Trotz allem sprach Knieriem beim Tierpark von einem »Zukunftsschatz«. Allein die Fläche und der Baumbestand böten zahlreiche Möglichkeiten, die dort lebenden Tiere attraktiver zu präsentieren.
Blaszkiewitz, der eher als Bewahrer, denn als Modernisierer bekannt ist, stand solchen Vorhaben, die besonders für den Tierpark gelten sollten, bisher reserviert gegenüber. Tierparks seien dafür da, Tiere zu zeigen, nicht mehr und nicht weniger, ließ er wissen. Allein die Eisenbahn im Tierpark soll für ihn schon eine Zumutung gewesen sein.
Wo es stattdessen hingehen wird, hat der Zooaufsichtsrat mit der Ernennung des bisher äußerst erfolgreichen Knieriem allerdings mehr als deutlich gemacht.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!