Grüne wollen widerständiger werden

Politiker der Ökopartei drohen Angela Merkel, ihr in der Europapolitik die Gefolgschaft zu verweigern

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen kritisieren die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geplanten »Reformverträge« in Europa. Das bedeutet aber nicht, dass die Partei nun nach links rückt.

In der vergangenen Legislaturperiode hatten die Grünen die Europapolitik der schwarz-gelben Bundesregierung gemeinsam mit der SPD in der Opposition regelmäßig unterstützt. Nun drohen grüne Europapolitiker, Bundeskanzlerin Angela Merkel die Gefolgschaft aufzukündigen. In einem gemeinsamen Schreiben des Bundestagsabgeordneten Manuel Sarrazin und des Vorsitzenden der Europäischen Grünen Partei, Reinhard Bütikofer, heißt es, jetzt sei ein »klarer Gegenkurs zu Merkels Politik« angesagt. Ein Linksschwenk der Partei, die sich darauf vorbereitet, gemeinsam mit der Linksfraktion eine Miniopposition im Bundestag gegen die zu erwartende Große Koalition aus Union und SPD zu bilden, wird in dem Papier allerdings nicht gefordert. Die beiden grünen Realos verteidigen die bisherige Zustimmung der grünen Abgeordneten zu »Rettungsschirmen«, »Rettungspaketen« und dem Fiskalpakt, mit dem europaweit Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild eingeführt werden. Entscheidend sei hier für die Grünen »die Verantwortung für den europäischen Zusammenhalt« gewesen.

Doch nun schlage die Kanzlerin in Europa den falschen Weg ein, weil sie sich für die sogenannten Reformverträge einsetzt. Durch diese soll die EU-Kommission mehr vertraglich geregelte Kontrolle über die Politik kriselnder Mitgliedsstaaten erhalten. Die Staaten sollen sich im Gegenzug zu finanziellen Anreizen dazu verpflichten, Reformen einzuführen. Diese könnten beispielsweise den Arbeitsmarkt betreffen. Merkel will, dass sich der EU-Gipfel im Dezember auf die Ziele der »Reformverträge« einigt.

Neoliberale Reformen für »mehr Wettbewerbsfähigkeit«, zu denen sich kriselnde Staaten verpflichten, kritisieren die beiden Grünen-Politiker nicht. Sie verweisen darauf, dass die Staaten im Rahmen des europäischen Semesters und des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes bereits zu Reformen verpflichtet werden. Aus ihrer Sicht könnten bestehende Instrumente »genutzt und verbessert« werden. Die Probleme bei den Plänen der Kanzlerin seien hingegen, dass die EU-Kommission nur noch Vorgaben für Staaten machen würde, wenn die Eurogruppe, in der Deutschland den Ton angibt, dies auch wolle. Die Kommission würde dadurch geschwächt. Deswegen würden Merkels Pläne nicht mehr, sondern weniger Europa bedeuten, schreiben Sarrazin und Bütikofer.

Zudem befürchten die Europapolitiker, dass sich große Staaten wie Frankreich im Unterschied zu kleineren Ländern leichter gegen die Vorgaben einer geschwächten EU-Kommission durchsetzen könnten. Die Kommission hatte sich vor kurzem für einen Umbau des französischen Rentensystems ausgesprochen. Paris wies die Aufforderung zurück.

Auch vom eher linken Flügel der Grünen erhält das europapolitische Papier Unterstützung. Der Europaabgeordnete und Mitbegründer von Attac Deutschland, Sven Giegold, monierte im Gespräch mit »nd«, dass es der »Kanzlerin nur darum geht, wie sie der deutschen Öffentlichkeit zeigen kann, dass sie möglichst viele Daumenschrauben ansetzt«. Das Ergebnis sei, dass bereits die jetzigen Reformverpflichtungen im Rahmen des europäischen Semesters nicht eingehalten werden. »Es wird nicht besser, wenn man immer neue Baustellen aufmacht, die noch dazu nicht vom Europaparlament kontrolliert werden können«, kritisierte Giegold.

Der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler monierte, dass Merkel die gemeinschaftliche europäische Politik schwäche. »Anstatt eines Machtgefälles in der Europäischen Union, in dem große Staaten den anderen diktieren, was sie zu tun oder zu lassen haben, brauchen wir eine gemeinsam abgestimmte Wirtschafts- und Finanzpolitik«, so der Parteilinke gegenüber »nd«. In einem Punkt unterscheidet sich allerdings seine Argumentation von einigen seiner Parteikollegen. Kindler lehnt die Reformverträge auch deswegen ab, weil er befürchtet, dass Beschäftigtenrechte und der Sozialstaat weiter abgebaut werden. »In der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass neoliberale Theorie und Praxis gescheitert sind. In Merkels Europapolitik erleben wir, dass es trotzdem zu einer neoliberalen Krisenstrategie kommt, die die Krise nicht löst, sondern verschärft«, kritisierte er. Um eine wirtschaftliche Erholung voranzutreiben, sei vielmehr die Einführung einer europaweiten Vermögensabgabe zum Abbau der Staatsschulden und zur Finanzierung eines sozial-ökologischen Investitionsprogramms notwendig.

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