Mietbremse bremst nicht richtig

Auswirkungen auf den Berliner Wohnungsmarkt werden unterschiedlich bewertet

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die angehenden Koalitionspartner wollen etwas gegen steigende Mieten unternehmen. In Berlin finden die Vorschläge ein geteiltes Echo.

Gerade hatte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sich noch darüber beschwert, dass bei den Koalitionsverhandlungen seiner Partei mit der CDU das Thema Wohnen und Mieten keine Rolle spielen soll, da wurde er offenbar erhört: Die angehenden Koalitionspartner wollen etwas für die Dämpfung der Mieten tun.

Entsprechend erfreut reagierte der Senator. Besonders die Begrenzung der Erhöhungsmöglichkeiten bei Wiedervermietung auf zehn Prozent oberhalb der Vergleichsmiete werde den »Problemdruck« mindern, sagte er. Berlin hatte dies auch in einer Bundesratsinitiative gefordert. Bisher konnten Vermieter bei Neuvermietung verlangen, was der Markt hergab. »Das war ein Preistreiber auf dem Berliner Wohnungsmarkt«, sagte Müller. Er will die Mietenbremse umsetzen, sobald die Regelung in Kraft ist. Kritisch sieht der Senator die neuen Abschreibungsmöglichkeiten beim Wohnungsneubau. Stattdessen hätte er sich mehr Mittel für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus gewünscht.

Ähnlich sieht das auch der Chef des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Die neuen Abschreibungsmöglichkeiten seien ein »Griff in die Mottenkiste«, der die Verteilungsgerechtigkeit grob missachte. Denn die steuerliche Förderung der Eigentümer komme nicht bei den Mietern in Form einer verringerten Miete an. Dagegen dümpele der Bundeszuschuss für die soziale Wohnraumförderung seit Jahren »bei lächerlichen 518 Millionen Euro« dahin.

Die vorgeschlagenen Änderungen im Mietrecht hält Wild für nicht ausreichend. Insbesondere die geplante Verringerung der Modernisierungsumlage von elf auf zehn Prozent schaffe keine Entlastung, zumal sie nur bei energetischer Sanierung vorgesehen ist. »Modernisierung bleibt damit in Ballungsgebieten ein Verdrängungsinstrument für Vermieter«, kritisiert Wild. Der Mieterverein verlangt seit langem die komplette Abschaffung der elfprozentigen Umlange. Für energetische Sanierung soll nur noch ein an der Energieeffizienz orientierter pauschaler Zuschlag möglich sein. Bei Vollsanierung würde der bei deutlich unter einem Euro pro Quadratmeter liegen. Wild warnt zudem in Sachen Mietenbremse vor zu großen Hoffnungen. Am aktuellen Mietspiegel seien die Neuvermietungsmieten nur mit elf Prozent beteiligt. Außerdem könne der von CDU und SPD vereinbarte Bestandsschutz dazu führen, dass die Vermieter vor Inkrafttreten »noch einmal kräftig zulangen«.

Bei der Immobilienwirtschaft lösten die Vorhaben der künftigen Koalition einige Bauchschmerzen aus. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), Berlins größte Vermieterorganisation, fürchtet eine »empfindliche Schwächung der Investitionskraft der Wohnungsunternehmen«. Folgen seien weniger Neubau und Modernisierung. Das wäre ein »Bärendienst am Mieter«, so BBU-Vorstand Maren Kern. Der Eigentümerverband Haus und Grund beklagt eine »Enteignung durch die Mietpreisbremse«, weil der Vermieter seiner Entscheidungsfreiheit beraubt werde. Wenn dieser nicht mehr realistische Mieten vereinbaren dürfe, verhindere das notwendige Investitionen in den Bestand. Das Internetportal Immobilienscout24 erwartet, dass die Deckelung der Neuvertragsmieten dem Gros der Wohnungssuchenden und speziell Geringverdienern kaum helfen wird. Denn in nachgefragten Lagen wie in Kreuzberg kämen auf zehn angebotene Mietwohnungen 130 Suchende. In der Regel würden dann die solventesten Mieter den Zuschlag erhalten.

Mit einer Aktionswoche machen derzeit Studenten auf steigende Wohnkosten aufmerksam. Heute gibt es eine Demo zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, morgen soll symbolisch ein Wohnheim vor dem Roten Rathaus errichtet werden.

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