Arafats Tod: Israel nennt Schweizer Gutachten unseriös

Autonomiebehörde will alle drei Gutachten abwarten / Russischer Experte hatte erklärt, es gebe keine Poloniumspuren / Französische Studie steht noch aus

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Berlin. Israel hat den Schweizer Untersuchungsbericht über einen angeblichen Giftanschlag als mögliche Todesursache bei dem früheren Palästinenserführer Jassir Arafat als unseriös kritisiert. Der Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem, Jigal Palmor, sagte laut »Jerusalem Post«, die Experten hätten weder die früheren Arbeitsräume Arafats in Ramallah auf die radioaktive Substanz untersucht noch das französische Militärhospital, in dem Arafat 2004 im Alter von 75 Jahren gestorben war.

»Alles ist sehr, sehr unklar«, sagte Palmor. »Klar ist nur, dass die Theorie (vom Giftmord) große Löcher aufweist, mehr Löcher als ein Schweizer Käse.« Arafats Witwe Suha sprach laut Al-Dschasira dagegen von einem »Verbrechen des Jahrhunderts«.

Vertraute des früheren Ministerpräsidenten Ariel Scharon haben eine Verantwortung Israels für einen möglichen Giftmord an dem Palästinenserführer Jassir Arafat zurückgewiesen. »Nach meinem besten Wissen gab es während meiner Zeit im Büro des Regierungschefs keinerlei Absicht, Arafat zu vergiften oder ihm Schaden zuzufügen«, sagte Scharons ehemaliger Kanzleichef Dov Weissglass der Nachrichtenseite »ynet«. Scharons früherer Berater Raanan Gissin sagte: »Es ist immer am leichtesten, Israel zu beschuldigen.« Er sprach von einem möglichen innerpalästinensischen Machtkampf als Hintergrund für Arafats Tod.

Die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah wollte zu den Berichten zunächst keine Stellung nehmen. Sie hatte am Vortag bekräftigt, dass sie die Ergebnisse der Untersuchungen erst öffentlich machen werde, wenn alle drei Gutachten vorlägen.

Neben den Schweizer Gutachtern sollen auch Experten aus Russland und Frankreich die bei der Exhumierung der Leiche Arafats vor knapp einem Jahr entnommen Gewebeproben - unter anderem aus einer Rippe und dem Beckenbereich Arafats - untersuchen. Im Oktober hatte eine russische Nachrichtenagentur den Chef der russischen Untersuchungsgruppe mit den Worten zitiert, es seien keine Polonium-Spuren entdeckt worden. Ein französisches Gutachten steht noch aus.

Der arabische TV-Sender Al-Dschasira und die britische Zeitung »Guardian« berichteten am Mittwoch über den 108 Seiten umfassenden Bericht der Experten. In Gewebeproben Arafats sei eine 18-mal höhere Konzentration an Polonium 210 gefunden worden als normal, heißt es darin. Dies lasse »einigermaßen« sicher den Schluss zu, dass Arafat an einer Polonium-Vergiftung gestorben sei. Schon ein Millionstel Gramm des radioaktiven Schwermetalls kann einen Menschen töten.

Laut dem Bericht von zehn Schweizer Experten fanden die vorgenommenen »neuen toxikologischen und radio-toxikologischen Untersuchungen« ein »unerwartet hohes Niveau von Polonium-210- und Blei-201-Aktivität« in den untersuchten Proben. Zusammenfassend heißt es in der englischsprachigen Untersuchung, die Ergebnisse würden die These »mäßig stützen« (moderatedly support), wonach Arafats Tod die Folge einer Vergiftung mit Polonium-210 gewesen sei. Laut dem Bericht ist »mäßig stützen« die zweithöchste Bestätigung einer These.

Laut Al-Dschasira heißt es in dem 108-seitigen Gutachten weiter, in Arafats Rippen, seinem Becken und in der Erde um seinen Leichnam habe die Konzentration von Polonium 18 Mal höher als normal gelegen. Demnach bestätigen die Daten der Ärzte zu bis zu 84 Prozent die These einer Polonium-Vergiftung. Der forensische Pathologe David Barclay sagte dem Sender, es sei praktisch sicher, dass Arafat im November 2004 ermordet worden sei. »Wenn ich Richter und Jury wäre, wäre dies absolut eiskalt klar«, sagte Barclay.

In der Öffentlichkeit hatten sich aber immer wieder auch Experten zu Wort gemeldet, welche die These vom Plutonium-Anschlag als unwahrscheinlich bezeichneten. Es wurde darauf verwiesen, dass sich der Zustand Arafats während seiner Erkrankung vorübergehend besserte; außerdem habe er nicht sämtliche Haare verloren - dies spreche gegen die Plutonium-These.

Nach dem Tod Arafats am 11. November 2004 wurde auf Bitte seiner Witwe Suha keine Autopsie vorgenommen. Die genaue Todesursache blieb daher unklar. Nachdem Experten im Auftrag von Al-Dschasira an persönlichen Gegenständen Arafats Polonium gefunden hatten, erstattete Suha im Juli 2012 in Frankreich Anzeige. Im November wurden die sterblichen Überreste Arafats in Ramallah exhumiert. Agenturen/nd

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