Was bedeutet die Waffenruhe zwischen Israel und Hisbollah?

Nach mehr als einem Jahr Beschuss und zuletzt auch direkten Gefechten der israelischen Armee im Libanon, soll die Gewalt enden – vorerst.

  • nd mit dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit einer Vereinbarung wollen Israel und die Hisbollah ihre gegenseitigen Angriffe für zunächst 60 Tage einstellen.
Mit einer Vereinbarung wollen Israel und die Hisbollah ihre gegenseitigen Angriffe für zunächst 60 Tage einstellen.

Beirut In den südlichen Vororten Beiruts kehren Bewohner nach dem vorläufigen Ende der israelischen Luftangriffe unter Tränen in ihre Häuser zurück. Die Straßen waren voller Autos mit Familien, die mit Gepäck und persönlichem Besitz zu ihren Wohngegenden aufbrachen, wie Augenzeugen berichteten.

»Ich habe mein Haus verloren, aber zurück bei den Trümmern meines Hauses empfinde ich ein Siegesgefühl«, sagte eine Frau namens Fatima vor einem zerstörten Haus. »Schaut euch diese Zerstörung an«, sagte ein Mann namens Hussein. »Dies bedeutet nichts. Wichtig ist, dass meine Familie am Leben ist«, sagte er.

Nach fast 14 Monaten Dauerbeschuss, massiver Zerstörung und Tausenden Opfern im Libanon, schweigen zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon seit den frühen Morgenstunden die Waffen. Zehntausende hoffen in beiden Ländern auf die Rückkehr in ihre Heimat und ein Ende der Gewalt.

Wer soll die Einhaltung des Abkommens überwachen?

Eine Staatengruppe unter Führung der USA zusammen mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UN-Friedenstruppe Unifil, so berichten es israelische Medien. Bei der Umsetzung gebe es aber noch viele offene Fragen, sagt der libanesische Nahost-Experten Riad Chawahdschi der Deutschen Presse-Agentur. »Wir haben die großen Themen der Einigung, aber keine Details.«

Welche Bedeutung hat die Einigung für den Libanon und Israel?

In beiden Ländern warten Zehntausende darauf, in ihre Wohnorte zurückzukehren. Im Libanon wurden rund 800.000 durch Kämpfe vertrieben, Hunderttausende flüchteten über die Grenze nach Syrien. Im Libanon hoffen die Menschen auf bessere Tage angesichts einer schweren humanitären Krise als Folge des Kriegs. Die Hisbollah habe nach schweren Rückschlägen der vergangenen Wochen unterdessen keine andere Wahl, als der Waffenruhe zuzustimmen, sagt Experte Chawahdschi.

In Israel wurden schätzungsweise 60.000 IsIsraelis evakuiert, die nun – sofern die Waffenruhe hält – in ihre Wohngebiete zurückkehren können. Deren Rückkehr hatte Israel zu einem der Kriegsziele im Konflikt mit der Hisbollah erklärt.

Koalitionspartner der israelischen Regierung waren gegen den Deal. Der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sprach von einem »schweren Fehler« und sagte, Israel verpasse eine historische Gelegenheit, die geschwächte Miliz zu zerschlagen. Zum Schluss wich er aber von seiner Drohung ab, im Falle einer Waffenruhe aus der Regierung auszutreten und damit die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu gefährden.

Welche Risiken gibt es?

In dem seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah dürfte es auch dieses Mal eine große Herausforderung werden, ein längerfristiges Ende der Kämpfe zu bewirken. Nach schwerem gegenseitigem Beschuss über mehr als ein Jahr und verheerenden israelischen Angriffen im Libanon ist die Skepsis auf beiden Seiten groß. 60 Tage für den Abzug von Israels Bodentruppen – also rund zwei Monate – sind eine lange Zeit mit viel Raum für Fehler, Verstöße oder Streitigkeiten über Details zur Umsetzung.

Was passierte in den ersten Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe?

Bisher halten sich beide Seiten an die Vereinbarung. Die israelische Armee meldete die letzten Raketenangriffe auf den Norden des Landes, mehrere Stunden bevor die Waffenruhe um 4.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MEZ) in Kraft trat. Am Morgen blieb es auf beiden Seiten zunächst ruhig.

Im Libanon waren kurz nach Inkrafttreten der Feuerpause im Raum der libanesischen Hauptstadt Beirut Freudenschüsse zu hören. Tausende Menschen machten sich seit den frühen Morgenstunden in vollgepackten Autos auf den Weg zurück in den Südlibanon, der in den letzten Wochen und Monaten unter massivem Beschuss der israelischen Armee stand. Auf sozialen Medien und im arabischen Fernsehen waren lange Staus auf den Straßen in Richtung Süden zu sehen.

Die libanesische Armee rief die Bewohner südlicher Ort jedoch zu Geduld auf. Sie sollten mit ihrer Rückkehr bis zum Abzug der israelischen Streitkräfte gemäß der Feuerpausen-Vereinbarung warten. Ein israelischer Militärsprecher hatte zuvor bereits auf X geschrieben, Bewohner von Gegenden, für die es Aufforderungen zur Evakuierung gegeben habe, dürften vorerst nicht in ihre Dörfer zurückkehren.

Gibt es nun Frieden in der gesamten Region?

Nein. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen, der an den Süden Israels grenzt, geht weiter. Mit der Vereinbarung hat die Hisbollah ihren Konflikt mit Israel nun vom Krieg in Gaza entkoppelt. Zuvor hatte die Miliz noch erklärt, eine Waffenruhe gebe es erst bei einem Ende des Gaza-Kriegs. Die Hamas erklärte sich nach der Einigung zwischen Israel und der Hisbollah erneut grundsätzlich bereit für ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen.

Die von der Hamas unabhängige Einigung bedeutet vor allem eine vorläufige und indirekte Einigung zwischen Israel und dem Iran, dem wichtigsten Unterstützer der Hisbollah. Ihren Konflikt haben sie damit aber keineswegs gelöst. Unklar ist auch, wie Israel sich zur Hisbollah und der Region insgesamt nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump im Januar verhalten wird. In dessen Amtszeit wird das Ende der 60-Tage-Frist des ausgehandelten Abkommens fallen.

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