Der mit dem Wolf tanzt: Europas Airbrush-Meister
Ingo Körner aus dem sächsischen Klingenthal ist Kontmentalsieger in einer ungewöhnlichen Kunstgattung
Von Stefan Tesch, Vogtland
Dass Ingo Körner einmal Maler wird, hätten seine Eltern schon geahnt, bevor er laufen, geschweige sprechen konnte. Vor seiner ungestümen Gestaltungslust seien kein Buch, keine Tapete, sicher gewesen, erzählte ihm die Mutter. Und der Vater musste ihn manchen Abend mit der Wurzelbürste losschicken, um seine Kreidebilder von fremden Hauswänden zu entfernen.
Heute hingegen sind all jene, die ihn deshalb einst als Schmierfink beschimpften, stolz auf den 31 Jährigen. Denn 1999 brachte ihm sein Talent gleich zwei Europameistertitel ein - in einer ungewöhnlichen Kunstgattung namens Airbrush. Liebhaber auffälliger Motorräder oder Jeeps kennen diese Farbspritztechnik, bei der mit einer speziellen Luftdruckpistole martialische Adler oder Tiger auf Kühler hauben aufgebracht werden. Auch Körner fing so an. Sein erstes Motiv war ein Löwe auf dem elterlichen Trabi, den er jedoch schnell wieder entfernte: Er wurde nicht seinen Ansprüchen gerecht. »Damals besaß ich noch null Erfahrung«, gesteht er.
Die Spritzpistole hatte sich der gelernte Akkordeonbauer 1989 von seinem »Begrüßungsgeld« in Bayern gekauft. Seit er zwei Jahre zuvor im Fernsehen einen Air brusher bei der Arbeit sah, wollte er die Technik unbedingt selbst ausüben. Schon 1991 machte er sich selbstständig, ver zierte nun Autos, T-Shirts und Firmenwände, konnte bald davon leben, wie er versichert. Doch während für viele Brusher das Illustrieren von Motorhauben das künstlerische Ende darstelle, war es. für ihn eher das Ende vom Anfang. Weißkopfseeadler könne er nicht mehr sehen, so oft habe er sie in den ersten Jahren gestaltet. Stattdessen versuche er nun beharrlich gegen ein gewisses Schmuddel-Image anzukämpfen, das seiner Branche anhafte.
Offenbar mit Erfolg. Kenner der Szene rechnen ihn heute zu den wenigen inter national erfolgreichen Airbrushern, die ohne Schablone freihändig arbeiten. Seine Bilder entstehen meist nach Fotos oder Modellen. Sein größtes Werk misst 200 Quadratmeter und ziert den Verkaufs- Wandlung vom spontanen zum sensiblen Künstler. Tags ist er mit Auftragsarbeiten zu Gange, fertigt Reprovorlagen und Wer besachen, lehnt es aber ab, Bilder zu kopieren. Doch abends, wenn kein Telefon mehr klingelt, widmet er sich seinen künstlerischen Ambitionen. Er illustriert Kinderbücher und brachte ein Fachbuch über die 1896 in den USA entwickelte Air brush-Technik heraus. Er tritt in Veranstaltungen auf, um vor Publikum sein Talent zu beweisen. Dann lässt er sich Themen nennen, die er spontan malen soll.
»Die größte Herausforderung bestand mal darin, auf der Bühne einen Kinder Chirurgen bei der Arbeit zu kreieren«, er innert er sich. Was in diesem Zusammenhang nur Eingeweihte wissen: Als Sechzehnjähriger hatte ihn ein Motorradunfall selbst für vier Jahre ans Bett gefesselt; erst nach 40 Operationen durfte er wieder nach Hause. Manches seiner Bilder, die er ungern Fremden zeigt, verrät noch heute die Düsternis, die ihn damals umfing.
Obgleich Autodidakt, wird der Vogtländer heute zu Messen eingeladen, er reist als Dozent für Airbrush-Gestaltung durch Europa und gilt in Fachkreisen als einer der weitbesten Brusher von Tiermotiven. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Kursen sucht er zudem nun ein geeignetes Gebäude, in dem er neben einem Atelier auch eine kleine Akademie samt Gästezimmern einrichten kann. Denn vorerst lebt und arbeitet der Sachse mit seiner Freundin und dem Boxer »Arko« noch in einem DDR-Plattenbau.
Körners Lieblingstier ist der Wolf. In seinem sozialen Verhalten, seiner Gestik und Mimik erinnere er ihn an den Menschen, sinniert er. Vom Respekt, den er den Wildhunden entgegenbringt, zeugt auch sein Künstlername: Fenris. »So heißt der Wolf in der nordischen Mythologie«, erläutert er. Einen seiner beiden Europameistertitel in Passau errang er für ein beeindruckendes Wolfs-Doppelporträt. Letztes Jahr zog es ihn während eines Kanada-Aufenthaltes sogar in die Wildnis, wo er sich unter ein Wolfsrudel mischte. Dass er das Experiment unversehrt über stand, begründet Körner auf seine Weise: »Ich habe halt auch gefaucht und grimmig die Zähne gezeigt. Das hat sie offenbar beeindruckt.«
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