iiw.ihj,i.iim,iiium Überall sind nur noch Täter
Rechte Gewalt. Opfer und Gegeninitiativen brauchen Unterstützung
Von Hendrik Lasch, Halberstadt
Bei der Betreuung der Opfer rechter Gewalt gibt es in Ostdeutschland große Defizite. Nicht nur, um diese zu beheben, müssen lokale Initiativen besser unter stützt werden, hieß es auf einer Tagung in Halberstadt.
Wenn in Neuruppin Weihnachtsmarkt ist, vergnügen sich Rapper und Punks tunlichst woanders. Denn zwischen den Bratwurstständen und Schießbuden »hängen die Glatzen ab«, sagt Gabriele Jaschke. Wer neu ist in Neuruppin, weiß das nicht. So wie der 28- jährige Türke, der im letzten Dezember an den Buden entlang schlenderte, bis er von Skins über den Platz gehetzt wurde. Die Jagd endete erst, als er sich in einen türkischen Imbiss flüchten konnte. An den Folgen leidet er heute noch. »Anschließend wollte er alle anzeigen«, sagt Jaschke, Mitarbeiterin des Potsdamer Vereins »Opferperspektive«, der sich seit zwei Jahren um Opfer rechter Gewalt in Brandenburg kümmert. Erfolg hatten weder die Anzeigen gegen Standbesitzer, die Hilfe verwehrten, noch gegen die Polizei. Jaschkes Verein konnte dem von Alpträumen verfolgten Mann zwar immerhin zu einer Traumatherapie in Berlin ver helfen. Die Verlegung in einen anderen Landkreis scheiterte aber am Starrsinn der Behörden. Eine fatale Situation: »In Neuruppin sieht er überall nur noch Täter.« Bei Schutz und Hilfe für die Opfer rechter Gewalt gibt es vor allem in Ostdeutschland noch immer gewaltige Defizite, hieß es auf einer Tagung zum Thema »Gegen Rechtsextremismus - Initiativen für eine demokratische Gesellschaft«, die im sachsen-anhaltischen Halberstadt von den Vereinen »Gegen Vergessen - Für Demokratie« und »Miteinander« sowie der Amadeu-Antonio-Stiftung ausgerichtet wurde. So existiere in den ostdeutschen Bundesländern kein einziges Therapiezentrum für Traumaopfer, sagt Benno Bennemann vom Psychosozialen Zentrum des Landes Sachsen-Anhalt: »Geld für Fachkräfte gibts im Westen, die am schwersten Betroffenen im Osten.«
Jaschke beklagt zudem »strukturelle Diskriminierung«: Anzeigen gegen Polizisten müssen bei der Polizei gestellt wer den. Auch bei der Verlegung und dem Bleiberecht für Flüchtlinge, die Opfer rechter Schläger wurden, gebe es hohe Hürden. Beleg ist der für Schlagzeilen sor gende Fall eines Opfers der Treibjagd von Guben, dem der dauerhafte Aufenthalt verwehrt wird. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der deswegen bei Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) intervenierte, zeigte sich in Halberstadt erneut überzeugt, dass es »Ermessens- und Handlungsspielräume« gibt. Er habe um Hilfe in dem konkreten Fall gebeten, ohne damit »ein Urteil über Gesetze und Verwaltungshandeln im Allgemeinen« zu fällen. Trotzdem sollten Beamte »genauer hinsehen« und human statt bürokratisch entscheiden.
Thierse unterstützt auch einen Fonds für die Opfer rechter Gewalt in Sachsen- Anhalt (ND berichtete). Dieser soll unkompliziert helfen, wenn Angebote anderer Einrichtungen nicht greifen, oder die Zeit überbrücken, bis Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz bewilligt werden. Derlei Angebote seien zu wenig bekannt, bestätigt das Magdeburger Sozialministerium. Entscheidend sei überdies das »Scharnier«, über das Opfer den Zugang zu Experten finden.
In dieser Rolle sieht sich »Opferper spektive e.V« Solche Angebote gibt es auch in anderen ostdeutschen Ländern. Die Koordination zwischen den Initiativen ist jedoch noch mangelhaft. Das muss sich ändern, sagt Eduard Stapel vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenver bandes, der jahrelange Erfahrung mit der Hilfe für Gewaltopfer hat - »schon deshalb, damit die Initiativen der Politik vor tragen können, was da ist und wo die För dergelder hinfließen sollen«.
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