Cowboys spielen Rodeo im Wellblechpalast

Eisbären besiegen Hannover im ersten Play-off-Halbfinale mit 4:3 / Düsseldorf bezwingt Köln mit 3:2

  • Mark Wolter
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Zeugwart der Hannover Scorpions musste Überstunden machen. Nach Ablauf der regulären 60 Minuten und ausgeglichenem Spielstand versuchte er, mit einem Handföhn und einem aus Plastikrohren gebastelten Verteiler-Aufsatz alle 38 Handschuhe seiner Spieler für die Verlängerung zu trocknen.
Die Scorpions sollten mit festem Griff in die spielentscheidende Phase auf das Eis zurückkehren. Seine Anstrengungen waren umsonst. Nach nur 39 Sekunden war die Extra-Spielzeit schon wieder vorbei. Eisbären-Kapitän Steve Walker traf zum 4:3 und sorgte damit für den ersten Sieg der Berliner in der Best-of-Five-Halbfinalserie gegen die Hannoveraner.
In der von Beginn an selbst für Eishockeyverhältnisse hart geführten Partie am Donnerstagabend erkämpften sich die Scorpions mit einem Doppelschlag durch Marty Murray und Patrick Köppchen schnell einen 2:0-Vorsprung. Die Zuschauer im ausverkauften Berliner Wellblechpalast ließen sich dadurch aber nicht die Laune verderben. Einzig Hannovers Verteidiger Shawn Heins veranlasste die Eisbären-Fans zu Pfiffen. Heins, der im Vorjahr mit den Berlinern noch Meister geworden war und anschließend zu den Scorpions wechselte, eröffnete die Partie mit einem unerlaubten Cross-Check.
Beim Stand von 3:1, nach Toren des Berliners Mark Beaufait und Hannovers Robert Hock, verpassten die Niedersachsen aber die Vorentscheidung. Trotz einer Überzahl von fünf gegen drei Spielern schafften es die Scorpions nicht, den Berlinern den entscheidenden Stich zu verpassen. Stattdessen retteten Deron Quint und Frank Hördler den EHC Berlin mit ihren Toren zum 3:3 in die Verlängerung, die durch Steve Walker in einem jubelndem Knäuel endete.
Während die Berliner Spieler noch auf dem Eis feierten, schlich Hannovers Trainer Kevin Gaudet in Richtung Kabine. Für den Kanadier könnten die Duelle mit den Eisbären trotz Erreichen des Halbfinales die letzten als Coach der Scorpions sein. Als Nachfolger wird der ehemalige Bundestrainer Hans Zach gehandelt, der seinen Rücktritt bei den Kölner Haien zum Saisonende schon vermeldete. Die mitgereisten Hannover-Fans unterstützten den vorbeilaufenden enttäuschten Gaudet mit Gesängen: »Ohne Kevin wären wir gar nicht hier« und »Zach gehört nach Iserlohn.« Iserlohn spielt in den letzten Jahren konstant im letzten Tabellendrittel.
Eisbären-Coach Pierre Pagé war mit dem Spiel nicht zufrieden. Besonders die Nahkampfmethoden der Spieler stießen ihm auf. Die Schiedsrichter verteilten gegen beide Teams insgesamt 30 Strafminuten. Vornehmlich wegen Stockschlagen und unkorrektem Körperangriff.
Mit grimmigem Gesichtsausdruck und Armbewegungen eines Boxers führte Pagé den Journalisten im Pressecontainer seine Eindrücke vom Spiel vor. »Es gab so viele Strafen. Die Spieler traten auf wie Cowboys. Das war Rodeo auf dem Eis«, kommentierte er seine Nachahmung. Nach seinem Geschmack hätte es noch mehr Strafen für beide Mannschaften geben können.
Beim Verlassen des Containers und der Erinnerung an das Ergebnis kehrte aber die Freude ins Gesicht von Pierre Pagé zurück. Mit dem 4:3-Erfolg (1:2, 1:1, 1:0, 1:0) haben die Eisbären den Grundstein für den Einzug ins Finale um die Meisterschaft gelegt.
Der Grundstein für zukünftige Eishockeyfeste des EHC Berlin wird am 27. April auf einem 42 ha großen Areal am Berliner Ostbahnhof gelegt. Ab der Saison 2008/09 möchte der aktuelle Titelträger in der 17 000 Zuschauer fassenden »Arena am Ostbahnhof« aufs Eis gehen. Die geplante Bauzeit für das 150 Millionen Euro teure Projekt beträgt zwei Jahre.

Vermiester Geburtstag
Auch im zweiten Halbfinale gab es eine knappe Entscheidung. Düsseldorf besiegte im 167. rheinischen Derby den Erzrivalen Kölner Haie 3:2 (1:0, 2:2, 0:0). Vor 10 000 Fans an der nicht ausverkauften Brehmstraße erzielten Klaus Kathan (9.), Craig Johnson (22.) und Peter Ferraro (30.) die Treffer für Düsseldorf. Für die Haie trafen Alex Hicks (38.) und Jan Alinc per Penalty (39.). Die DEG, die in dieser Saison zum vierten Mal in fünf Begegnungen mit den Haien als Sieger vom Eis ging, vermieste damit ihrem Ex-Coach Hans Zach den 57. Geburtstag.


DEG Metro Stars - Kölner Haie 3:2 (1:0, 2:2, 0:0). Tore: 1:0 Kathan (8:32), 2:0 Johnson (21:31), 3:0 Ferraro (29:31), 3:1 Hicks (37:48), 3:2 Alinc (38:32/Penalty). Schiedsrichter: Looker (USA). Zuschauer: 9241. Strafminuten: Düsseldorf 14 - Köln 18 plus 10 Disziplinar (Gogulla). Playoff-Stand: 1:0. Nächstes Spiel: Sonntag (17.15 Uhr) in Köln.

Eisbären Berlin - Hannover Scorpions 4:3 (1:2, 1:1, 1:0, 1:0) n.V. Tore: 0:1 Murray (8:58), 0:2 Köppchen (9:25), 1:2 Beaufait (19:36), 1:3 Hock (28:29), 2:3 Quint (35:57), 3:3 Hördler (50:00), 4:3 Walker (60:39). Schiedsrichter: Deubert (Bad Kissingen). Zuschauer: 4800 (ausverkauft). Strafminuten: Berlin 14 - Hannover 16. Playoff-Stand: 1:0. Nächstes Spiel: Sonntag (14.30 Uhr).in Hannover.
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