Kultig ist nur die Masse der Fans

Erneuter Trainerwechsel beim 1. FC Union Berlin hinterlässt viele Fragen

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Fußballgeschäft ist mit einem ständigen Kommen und Gehen verbunden - auch in der vierten Spielklasse. Oberligist 1. FC Union mutierte unter Präsident Dirk Zingler allerdings zu einer bemerkenswerten Verschleißmaschine für Trainer. Am Freitag saß beim Punktspiel gegen den Ludwigsfelder FC (n. Red.) mit Christian Schreier bereits der dritte Übungsleiter dieser Spielzeit auf der Bank. Die Beweggründe des 47-jährigen Ex-Profis Schreiers, in die Alte Försterei zu kommen, sind nachvollziehbar. Mit dem Herbstmeister MSV Neuruppin, der nun von Wolfgang Sidka trainert wird, konnte er seinen großen Traum vom Aufstieg in die Regionalliga nicht mehr verwirklichen. Die Brandenburger haben kürzlich aus finanziellen Gründen keine Lizenz für die dritte Liga beantragt. Jetzt können nur noch Babelsberg oder der 1. FC Union aufsteigen, die immerhin ihre Unterlagen fristgerecht beim DFB eingereicht haben. Ob sein im Aufstiegsfall bis 2008 laufender Vertrag Kosten für psychologische Betreuung im Falle der Lizenzverweigerung für Union beinhalte, verneinte Schreier bei seiner öffentlichen Vorstellung. »Lass uns darüber reden, wenn es so kommen sollte.« Für die Berliner, die sich gern mit so genannten Kultvereinen wie dem FC St. Pauli auf eine Stufe stellen, wäre die Lizenzverweigerung der absolute Tiefpunkt einer bisher eher verpfuschten Saison. Nach dem Abstieg aus der Regionalliga sollte die sofortige Rückkehr ein Selbstläufer sein. Schließlich gingen die Köpenicker mit Vollprofis und einem in der Liga unerreichten Etat von 1,6 Millionen Euro in die Serie. Doch die »Eisernen« hinkten und hinken hinter den Nebenfavoriten Neuruppin und Babelsberg hinterher. Gegen Union waren alle Mannschaften besonders motiviert. Selbst solche »Giganten der Szene« wie Motor Eberswalde (2:2), Falkensee/Finkenkrug (0:0) und Greif Torgelow (1:1) trotzten dem Zuschauerkrösus der Liga (Heimschnitt: 6215 Besucher) Punkte ab. Die sportliche Krise wurde von diversen Personalwechseln begleitet. Der sportliche Leiter Lothar Hamann wurde bereits im Herbst als Bauernopfer entlassen und durch Christian Beeck ersetzt. Der ehemalige Cottbuser Verteidiger sollte quasi den Wachhund für Trainer Frank Lieberam mimen. Musste er aber bald nicht mehr. Denn Lieberam wurde am 9. Dezember geschasst. Nicht unberechtigt, aber viel zu spät, zumal direkt nach einem 4:1-Erfolg im Landespokal gegen den SV Yesilyurt vollkommen unpassend. Mit der umjubelten Verpflichtung des Ex-Trainers Georgi Wassilew konnte die Führungsspitze um Vereinsboss Zingler die Fans beruhigen. Keine vier Monate später ist der Heilsbringer schon wieder weg. »Fehlendes Engagement« und »größere Aufmerksamkeit für private Dinge« lauten die Vorwürfe von Präsident Dirk Zingler. Die zweimalige unentschuldigte Abreise aus Deutschland begründet Wassilew, dem derzeit auch eine öminöse Freundin angedichtet wird, mit Visa-Problemen. Union gibt an, dass bis Mitte Juni sein Aufenthalt von der Ausländerbehörde genehmigt sei. Wie auch immer. Der Ruf des 1. FC Union leidet mal wieder mächtig. Kultig an diesem Verein ist inzwischen nur noch die Masse der treuen Fans, die den erneuten Trainerwechsel größtenteils nicht verstehen können.
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