Ganz im Zeichen von »Haiyan«

Germanwatch-Studie: Entwicklungsländer sind am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen

  • Benjamin Brackel und 
Kathrin Henneberger, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staaten, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, trifft er am stärksten. Das ist die Kernbotschaft des am Dienstag auf dem UN-Gipfel in Warschau vorgestellten Klima-Risiko-Indexes.

Shenna Sanchez hält sich an ihrem Banner mit der Aufschrift »2012 Bopha, 2013 Haiyan« fest und versucht, ihre Tränen zu unterdrücken. Die 29-Jährige aus den Philippinen steht vor dem großen Versammlungssaal im Bauch des Warschauer Nationalstadions. Während sie auf dem UN-Gipfel in Warschau Lobbyarbeit für den Klimaschutz leistet, kämpfen Freunde und Verwandte auf den Philippinen mit den Folgen des Taifuns »Haiyan«. Die meisten konnte sie noch nicht erreichen. Zusammen mit etwa 30 jungen Vertretern von Nichtregierungsorganisationen und mit dem Verhandlungsführer der philippinischen Delegation, Yeb Saño, will sie bis zum Ende des Gipfels darauf verzichten zu essen. »Wir werden fasten, bis es endlich konkrete Zusagen für eine Reduzierung der Treibhausgase und einen fairen Beitrag für die Klimafinanzen gibt.«

Wie eine Bestätigung wirkt da der »Klima-Risiko-Index 2014«, den die deutsche Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch am Dienstag in Warschau vorstellte: Unter den Ländern, die zwischen 1993 und 2012 am meisten unter Extremwetterereignissen litten, rangieren die Philippinen erstmals unter den ersten zehn. Dabei ist der Taifun »Haiyan« noch gar nicht berücksichtigt. Auf das vergangene Jahr bezogen, steht der Inselstaat sogar schon auf Platz zwei hinter Haiti.

Der Risiko-Index soll quasi eine »rote Flagge« für die verletzlichsten Staaten sein, die durch den Klimawandel in Zukunft noch viel stärker betroffen sein könnten. Die Länder, die in den vergangenen 20 Jahren am meisten Tote und Schäden durch extreme Wetterereignisse wie Fluten, Hitzewellen oder Stürme erleiden mussten, waren laut Germanwatch Honduras, Myanmar und Haiti. »Ohne Ausnahme sind die ersten zehn Staaten Entwicklungsländer«, sagt Sönke Kreft, Teamleiter bei Germanwatch und Co-Autor des Berichts. Getroffen würden ausgerechnet solche Staaten, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen hätten.

Nimmt man nur das Jahr 2012, liegen Haiti (Wirbelsturm »Sandy«), die Philippinen (Taifun »Bopha«) und Pakistan (verheerende Monsunniederschläge) an der Spitze. Aber lässt sich etwa der Taifun »Haiyan« überhaupt unter dem Stichwort Klimawandel einordnen oder ist das nicht ein Einzelereignis? »Solche Stürme sind in den vergangenen drei Jahrzehnten häufiger geworden und Klimamodelle lassen eine weitere Verstärkung für die Zukunft erwarten«, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam- Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die globale Erwärmung verschlimmere zudem die Folgen - ex- treme Regenfälle, Überschwemmungen und Erdrutsche. Und zwar, weil die Verdunstungsraten und der Wassergehalt der Luft in einem wärmeren Klima ansteigen würden. »Hinzu kommen Sturmfluten an den Küsten, denn der Meeresspiegel steigt infolge der globalen Erwärmung.«

Mehr als eine halbe Million Menschen sind seit 1993 aufgrund von Extremwetterereignissen ums Leben gekommen. Die finanziellen Schäden beliefen sich auf gut 2,5 Billionen Dollar, heißt es in dem Bericht, der sich auf Daten des Rückversicherers Munich Re bezieht. Auf den Philippinen geht man inzwischen von etwa 10 000 Todesopfern aus. Wie es um ihre Heimatregion genau steht, weiß Shenna Sanchez nicht. »Ich als Filipina fordere Gerechtigkeit - für den Mangel an Verantwortung und Engagement auf den Klimakonferenzen, der uns dorthin geführt hat, wo wir jetzt sind.«

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