Eine glatte Sechs für Schwarz-Gelb

Sachsens Verfassungsgericht stärkt nach einer Klage der Opposition die freien Schulen

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsens Regierung darf die freien Schulen nicht wie bisher knebeln. Das entschied das Verfassungsgericht auf Klage der Opposition.

In einer Schule - gesetzt den Fall, es gibt dort Noten - entspräche dieses Urteil einer glatten Sechs: Sachsens Verfassungsgericht hat gestern zentrale gesetzliche Regelungen für die Schulen in freier Trägerschaft gekippt. Nachdem das Gesetz 2010 novelliert worden war, hatten 43 Abgeordnete von LINKE, SPD und Grünen eine Klage eingereicht. Diese war in allen Punkten erfolgreich. Friedhelm Hufen, der Rechtsbeistand der Opposition, sprach von einem »Epoche machenden Urteil« mit bundesweiter Strahlkraft. SPD-Schul-politkerin Eva-Maria Stange sprach von einer »enormen Watsche«.

Im Verfahren ging es um vier Kernfragen: Darf das Land freien Schulen eine Wartefrist von vier statt zuvor drei Jahren aufbürden, bevor es überhaupt Zuschüsse zahlt? Wie hoch sollen diese sein? Muss ein Ausgleich gewährt werden für eine Befreiung von Schulgeld und Kosten für Lernmittel? Schließlich: Dürfen Zuschüsse gekürzt werden, wenn freie Schulen sich nicht an die Mindestschülerzahlen für staatliche Schulen halten?

All diese Punkte hatte die Koalition von CDU und FDP im Zusammenhang mit einem neuen Landesetat verschärft - gegen viele Warnungen von Experten und Juristen. Zentrales Argument damals: Freie Schulen »kannibalisieren« das öffentliche Schulsystem. Weil im Freistaat viele staatliche Schulen geschlossen wurden, suchten Eltern, derlei Lücken durch die Gründung unabhängiger Schulen zu schließen - was, so die Argumentation der Koalition, öffentlichen Schulen noch mehr Schüler abspenstig mache. Das aber sei »nicht ersichtlich«, sagte Birgit Munz, Präsidentin des Gerichts. In Großstädten würden freie Schulen die staatlichen sogar entlasten. Ohnehin sei »Pluralismus« des Systems zu garantieren, auch wenn Konkurrenz entstehe.

Das Gericht betont daher: »Neugründungen müssen möglich bleiben« - weshalb Knebel nicht zulässig seien. Zwar dürfe eine Wartefrist für öffentliche Zuschüsse verordnet werden, um zu sehen, ob ein Konzept trägt. Sie dürfe aber nicht zur »faktischen Errichtungssperre« werden; Nachteile müssten, eventuell auch rückwirkend, ausgeglichen werden. Kürzungen seien auch nicht zulässig, nur weil eine freie Schule sich nicht an eine Mindestschülerzahl halte: Sie dürfe nicht benachteiligt werden.

Auch sparen darf das Land nicht auf Kosten der privaten Schulen. Diese erhalten bisher für Sachausgaben einheitlich ein Viertel der Personalkosten eines Stichjahres. Das geht so nicht. Zwar muss die Finanzausstattung je Schüler nicht überall gleich sein; Eigenleistungen der Eltern seien möglich, und wer sich für eine freie Schule entscheide, von dem könne »die Bereitschaft zu finanziellen Opfern erwartet« werden. Zugleich gebe es eine »Förderpflicht«; die Höhe der Zuschüsse muss transparent vorgerechnet werden. Schließlich: Wenn Schulen entscheiden, auf Schulgeld oder Beiträge für Lernmittel zu verzichten, müsse das Land dies »der Höhe nach vollständig« ausgleichen.

Vor allem dieser Punkt sei auch für den schwelenden Streit um Lernmittelkosten an den staatlichen Schulen wichtig, sagte Cornelia Falken, Abgeordnete der Linksfraktion, in der 20 von 29 Abgeordneten die Klage unterstützten. Annekathrin Giegengack von den Grünen forderte die Staatsregierung auf, schnell Übergangsregelungen zu beschließen und mit der Umsetzung des Urteils nicht, wie vo Gericht erlaubt, bis 2015 zu warten. CDU-Kultusministerin Brunhild Kurth begrüßte die »Klarheit«, die das Urteil schaffe. In Sachsen gibt es nach Angaben des Ministeriums 397 freie Schulen - davon allein 201 Berufsschulen - die vom Land in diesem Jahr rund 225 Millionen Euro erhalten.

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