Scholzomat als Sündenbock
Beim SPD-Bundesparteitag straft die Basis den Hamburger Bürgermeister für seine vermeintlichen Umsturzpläne ab
Olaf Scholz ist kein Sympathieträger in der SPD. »Früher bei den Jusos hatte ich noch Locken, das hat sich inzwischen verflüchtigt. Dafür trage ich jetzt einen Nadelstreifenanzug, wie sich das für einen Hamburger Bürgermeister gehört«, sagt der Hanseat, der wieder für den Posten als stellvertretender Parteichef kandidiert, bei seiner Bewerbungsrede. Das kommt bei der SPD-Basis nicht gut an. Viele der 600 Delegierten des Leipziger Bundesparteitags grummeln.
Dass der konservative SPD-Mann, der den wenig schmeichelhaften Spitznamen »Scholzomat« trägt, nur 67,3 Prozent der Stimmen erhält, liegt aber nicht an seinem zuweilen arroganten und elitären Auftreten. Auch nicht an dem Umgang des Hamburger Senats mit den Lampedusa-Flüchtlingen. Viele Sozialdemokraten machen Scholz vielmehr zum Sündenbock für zeitweiliges Misstrauen in der SPD-Spitze. Er soll im vergangenen Sommer Pläne geschmiedet haben, nach einer Wahlniederlage der SPD Sigmar Gabriel als Parteivorsitzenden zu beerben. Nach Berichten unter anderem in der Springerpresse war in der SPD gar von »Umsturzversuchen« die Rede. Diese hätten allerdings wohl nur Erfolg gehabt, wenn Union und FDP nach der Bundestagswahl ihr Bündnis hätten fortsetzen können.
Scholz erhält das mit Abstand schlechteste Ergebnis der fünf Gabriel-Stellvertreter. Am besten schneiden die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und der hessische SPD-Chef Torsten Schäfer-Gümbel ab. Schäfer-Gümbel ist nach dem Rückzug des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, der einzige Neue in der engeren SPD-Führungsmannschaft. Für Schäfer-Gümbel votieren 88,9 Prozent. Er gilt als Parteilinker und führt in Hessen Sondierungsgespräche mit CDU, Grünen und LINKEN. Berichte darüber, dass Rot-Rot-Grün aus Sicht der SPD gescheitert sei, hat Schäfer-Gümbel vor dem Parteitag dementiert, wohl auch, um ein gutes Ergebnis für sich nicht zu gefährden. Denn in diesem Fall würden nur Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot als Alternativen bleiben - beide sind bei der SPD-Basis unbeliebt. Wiedergewählt als stellvertretende Parteivorsitzende werden außerdem Aydan Özoguz und die Sozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Beide bekommen rund 80 Prozent der Stimmen.
Auch Andrea Nahles hat weiterhin keinen leichten Stand in der SPD. Beim Bundesparteitag 2011 erhielt sie ein mäßiges Ergebnis von 73,2 Prozent. Dieses Mal votieren nur noch 67,2 Prozent der Delegierten für die Generalsekretärin. Hauptgrund für das schwache Ergebnis dürfte sein, dass Nahles für den misslungenen Bundestagswahlkampf zuständig war. In der SPD ist die Auffassung weit verbreitet, das schlechte Bundestagswahlergebnis sei nicht auf die thematische Aufstellung zurückzuführen, sondern vor allem auf die Außendarstellung der Partei.
Zudem ist fraglich, ob Nahles noch lange ihren Job im Willy-Brandt-Haus ausüben wird. Wenn sich Union und SPD auf eine Große Koalition einigen sollten, gilt Nahles nämlich als Kandidatin für einen Ministerposten. Sie ist bei den Koalitionsverhandlungen Verhandlungsführerin der SPD in der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales und könnte in diesem Ressort ein Ministeramt antreten. Möglich ist allerdings auch, dass Nahles neue Fraktionschefin im Bundestag wird. Denn der derzeitige Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier könnte sich in einer schwarz-roten Bundesregierung erneut um die Außenpolitik kümmern. Als Nachfolger von Nahles im Amt des Generalsekretärs soll im Falle einer Rotation der schleswig-holsteinische Landeschef und Koordinator der Parteilinken im SPD-Vorstand, Ralf Stegner, bereit stehen.
Mehr Geschlossenheit der Sozialdemokraten bei der Wahl ihres Spitzenpersonals wünscht sich Schatzmeisterin Barbara Hendricks. »So hättet Ihr nicht mit Andrea umgehen sollen«, ruft sie den Delegierten zu. Große Geschlossenheit zeigen diese nur bei der Wahl des Europabeauftragten Martin Schulz, der von 97,9 Prozent gewählt wird. Ursache für seinen Erfolg ist wohl, dass Schulz allgemein respektierter Spitzenkandidat bei der bevorstehenden Europawahl ist.
Nachdem der erste Wahlgang über den weiteren Vorstand nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, redet Gabriel den Delegierten ins Gewissen, es sei notwendig, dass möglichst viele Landesvorsitzende in dem Gremium sitzen. »Tut uns den Gefallen«, bittet der Parteivorsitzende. Zahlreiche Landeschefs wie Ralf Stegner und der Berliner Jan Stöß werden erst im zweiten Wahlgang gewählt. Hilde Mattheis und Klaus Barthel, Vertreter des linken Parteiflügels, schaffen es nicht wieder in den Vorstand.
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