Werbung

Offensive für mehr Bildung verpufft?

Hamburgs Elbinseln haben weiter Nachholbedarf

  • Volker Stahl und Angela Dietz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Gelegenheit schien günstig, um mehr Geld für Bildung zu mobilisieren. 2003 rückte der Hamburger Senat seine lange vernachlässigten Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel in den Mittelpunkt und entwickelte das Konzept »Sprung über die Elbe«. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) sollten die ehemaligen, von Industrie und Migration geprägten Arbeiterstadtteile attraktiver werden. Bereits 2001 hatte eine Zukunftskonferenz Ideen zur Bekämpfung massiver Bildungsprobleme entwickelt. Die Forderung an den Senat lautete: Die Bildung in den Fokus rücken. Und tatsächlich: 2006 initiierte die IBA die Bildungsoffensive Elbinseln (BOE).

Für diese Arbeit standen im Rahmen des IBA-Projekts sieben Jahre lang 4,5 Personalstellen zur Verfügung. Das Projekt kooperierte mit dem Forum Bildung Wilhelmsburg (FBW), das von Lehrern, Erziehern und Sozialarbeitern gegründet worden war. Die Initiatoren standen vor einer großen Herausforderung, denn viele Erstklässler sprachen nur unzulänglich Deutsch. Ein Viertel der Schüler verließ die Schule ohne Abschluss. Um es gleich vorweg zu nehmen: Statistisch relevante Steigerungen bei den höheren Schulabschlüssen sind nach sieben Jahren Projektdauer in Hamburgs größtem Armutsgebiet nicht zu verzeichnen. Doch Erfolge in solch kurzer Zeit seien »unmöglich«, behauptet Projektkoordinator Jürgen Deege-Rüger. Mindestens zehn Jahre seien dafür nötig, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Hamburger Grünen Stefanie van Berg.

Positiver Nebenaspekt der Bildungsoffensive ist aber, dass in Stadtteilen ein riesiges Netzwerk von Bildungsakteuren entstanden ist, die eng zusammenarbeiten - mit dabei neben Schulen und Kitas auch die Jugendhilfe, Elternschulen und Beratungsstellen. Verbessert hat sich ferner die Lesekultur. Fast jede Schule ist inzwischen mit einer eigenen Bibliothek ausgestattet, stadtteilweite Wettbewerbe wie die Lesewoche im Bürgerhaus Wilhelmsburg sind der alljährliche Höhepunkt.

Viel Geld von der IBA gab es für neue Gebäude. Im Bildungszentrum »Tor zur Welt«, eine 60 Millionen Euro Investition, sind eine Grundschule, eine Sprachförderschule und ein Gymnasium sowie diverse Bildungs- und Beratungsträger vereint. Im Media-Dock und im Sprach- und Bewegungszentrum soll Bildungsarbeit auch unabhängig von den Schulen geleistet werden. Doch für die Finanzierung der Organisation ab kommendem Schuljahr gibt es derzeit noch »keine abschließende Entscheidung«, heißt es aus der Bildungsbehörde.

Was bleibt vom Aufbruch durch die IBA-Bildungsoffensive - nur die schönen Gebäude? Vom SPD-Bildungssenator Thies Rabe ist nicht viel zu hören. Immer wieder mahnen Lehrer wie Sozialarbeiter neue Stellen an. Nach einem »Brandbrief« der Elbinsel-Schulleiter gibt es immerhin einen Schulversuch mit zwölf zusätzlichen Stellen. Ob das reicht, ist offen. »Nur wenn die Schulen die entsprechende Ausstattung mit Lehr- und Betreuungskräften haben«, meint die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Karin Prien, gelänge den Kindern der Bildungsaufstieg.

»Die entstandene regionale Bildungslandschaft ist vorbildlich«, resümiert van Berg. Doch ohne ausreichende Koordination der Netzwerke laufe sich das tot. Die halbe Stelle der FBW-Geschäftsleitung scheint dafür zu gering. Und laut Bildungsbehörde ist selbst diese Finanzierung noch nicht gesichert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.