Timoschenko-Gesetz lässt weiter auf sich warten
Ukrainisches Parlament verschiebt Causa auf Donnerstag / Opposition sieht Annäherung an die EU gefährdet
Kiew. Die Annäherung der früheren Sowjetrepublik an die EU steht weiter auf dem Spiel. Im Beisein von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle scheiterte am Dienstag im Parlament in Kiew ein neuer Versuch, ein Gesetz über einen Hafturlaub der früheren Regierungschefin Timoschenko in Deutschland zu verabschieden.
Die EU und vor allem Merkel hatten die Ukraine zu klaren Schritten aufgefordert, damit ein Abkommen über eine engere Zusammenarbeit und freien Handel kommende Woche in Vilnius unterzeichnet werden kann. Der Westen warnte zuletzt immer wieder, dass die Ukraine nur noch wenige Tage Zeit habe, die Bedingungen der EU für das Assoziierungsabkommen zu erfüllen.
Die Freilassung der wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilten Julia Timoschenko gehört zu diesen Forderungen. Der ukrainische Parlamentschef Wladimir Rybak sagte, dass die Oberste Rada am Donnerstag einen weiteren Anlauf nehmen wolle. Die Vertreter der Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko und die regierende Partei der Regionen warfen sich gegenseitig vor, den Abschluss des Abkommens mit der EU zu sabotieren.
Die Opposition erschien im Parlament mit T-Shirts, auf denen das Porträt Julia Timoschenkos zu sehen war. Klitschkos Gefolgsleute trugen rote Pullover mit der Aufschrift »Wir sind Europa«, Timoschenkos Parteigänger von Batkiwschtschina (Vaterland) weiße Pullover mit dem Schriftzug »Freiheit für die Ukraine«.
Auf dem Tisch liegen mehrere Entwürfe für ein Gesetz, das Timoschenko eine Behandlung in einer deutschen Klinik ermöglichen würde. Allerdings können sich die Fraktionen nicht auf die Bedingungen für einen solchen Hafturlaub einigen. Klitschko warf dem Lager um Präsident Viktor Janukowitsch vor, aus Furcht vor seiner Erzfeindin den prowestlichen Kurs des Landes zu gefährden. »Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Regierung versucht, die europäische Integration loszuwerden«, sagte Klitschko.
Die prowestlichen Kräfte wollen das Abkommen mit der EU, um sich aus der engen Beziehung mit dem dominanten Nachbarn Russland zu lösen und das Land zu modernisieren. Russlands Präsident Wladimir Putin drohte der Ukraine im Fall einer Unterzeichnung des Abkommens damit, alle Handelsvorteile zu streichen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der EU am Dienstag eine »einseitige« Erweiterungspolitik vor und sprach von »unverschämtem Druck« auf die Ukraine, zwischen den Beziehungen zu Russland und der europäischen Integration zu wählen. Das Programm der Östlichen Partnerschaft der EU stehe im Geist »alter geopolitischer Machtspiele« und sei nicht auf Zusammenarbeit gerichtet. Neben der Ukraine gehören auch Moldau und Belarus sowie im Südkaukasus Georgien, Armenien und Aserbaidshan zur »Östlichen Partnerschaft« der EU.
Noch am Dienstag trafen die Brüsseler Emissäre Aleksander Kwasniewski und Pat Cox erneut in Kiew ein, um den weiteren Verlauf der Dinge bis zum Freitag zu »beobachten«. Der ehemalige polnische Präsident Kwasniewski schätzt die Chancen für eine Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius derzeit auf 50:50. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.