Der Aufstand von Frauen hat viele Gesichter

Ausstellung über Facebook-Kampagne zeigt Fotos selbstbewusster Araberinnen

  • Ulrike Gramann
  • Lesedauer: 3 Min.
Warum unterstützen Menschen den Aufstand der Frauen in der arabischen Welt? Die Ausstellung mit vielfältigen Antworten und Fotos ist auf Deutschlandtour und macht zurzeit Halt in Berlin.

Ein Gesicht, ein Blatt Papier mit arabischer Schrift, eine Übersetzung, ein Kommentar: Auf den ersten Blick wirken die Fotos unspektakulär. Doch sie bedeuten eine Revolution. Nachdem sie bereits in mehreren deutschen Städten zu sehen war, zeigt das Berliner Haus der Demokratie seit letztem Freitag und noch bis Mitte Dezember die Ausstellung »The Uprising of Women in the Arab World«.

Der Titel »Aufstand der Frauen in der arabischen Welt« steht für eine 2011 initiierte Facebook-Kampagne, bei der vier Frauen aus Libanon, Palästina und Ägypten einluden, den Satz »Ich unterstütze den Aufstand der Frauen in der arabischen Welt, weil …« zu vervollständigen und dazu ein Selbstporträt hochzuladen. Tausende Frauen in arabischen Ländern folgten dem Aufruf.

Von der Vielzahl der Fotos und anderen Beiträge auf der Facebook-Seite zeigt die Ausstellung nur einen Ausschnitt, der jedoch reichlich Anstoß sowohl zur Diskussion als auch zur kritischen Selbstbefragung bietet. Frauenrechte erweisen sich einmal mehr als Menschenrechte. Viele Statements richten sich gegen Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt. So zeigt eine Syrerin auf dem Foto die blauen Flecken und Hämatome an ihrem Oberarm und erklärt sich »gegen die sexuelle Gewalt seitens meines Mannes«. Eine andere Frau unterstützt die Kampagne, »damit meine Tochter nicht vergewaltigt wird«.

Die Ägypterin Sally Zohney saß als Mitinitiatorin der Kampagne bei der Ausstellungseröffnung am 15. November in Berlin mit auf dem Podium. Sie beschrieb dort, wie Internet und soziale Medien bekannt machten, dass protestierende Frauen auf Kairos Straßen politisch motivierten, geschlechtsspezifischen Attacken ausgesetzt sind, die sie als »sexuellen Terrorismus« bezeichnet. Die rasche Entstehung einer weltweiten Solidaritätswelle, für die in der Ausstellung einige Fotos von Frauen aus Kanada und Schweden stehen, habe sie als »fast surreal« empfunden.

Aufsehen erregte auch der mutige Eintrag der 20-jährigen Dana aus Syrien: Ihr Bild zeigt sie mit ärmellosem Shirt und kurzgeschnittenen Haaren, in den Händen ihr Pass, auf dessen Foto das Haar verhüllt ist. »Ich unterstütze den Aufstand der Frau in der arabischen Welt, weil es mir seit 20 Jahren nicht erlaubt ist, den Wind mit Haut und Haaren zu spüren.« Das Bild verschwand zeitweilig von der Seite, weil offenbar zu viele Nutzer es als anstößig »gemeldet« hatten. Nadia Kabalan, Mitglied der Initiative für diese Ausstellung, hält das Bild einerseits für repräsentativ, andererseits sei es selbst innerhalb der Bewegung umstritten. Im Vordergrund stehe eben nicht, Frauen vom Kopftuch zu befreien. Es geht um eine selbstbestimmte Entscheidung, wie sie Mariam aus Libanon formuliert, die die Kampagne unterstützt, »weil die Entscheidung über mein Kopftuch meine ist und nicht die meines Vaters, meines Onkels oder der Gesellschaft.« Ihr Kopftuch ist locker geschlungen und gibt eine Haarsträhne frei. Frauen wie Amal aus Jemen wollen selbst bestimmen, »wer ich bin und wie ich bin«. In diesem Sinne solidarisieren sich auch Männer, so zum Beispiel Anwar, der berichtet: »Statt ihren Namen schrieben sie auf das Grab meiner Schwester: Ehefrau von Soundso.«

Viele Menschen würden auf die Forderungen der Frauen ablehnend, entsetzt reagieren, erzählt Amina Rayan vom Verein Mayadin Al-Tahrir, der in einem Stadtteil von Kairo eine Bibliothek für Frauen und Kinder gründete und Bildungs-, vor allem Alphabetisierungs- und Englischkurse anbietet. Dass Veränderungen in den Köpfen der Menschen nicht von heute auf morgen geschehen, gilt auch für uns: Die Selbstporträts, die knappen Sätze fordern eigene Auseinandersetzung. Gewalt gegen Frauen ist kein spezifisch arabisches Thema, und, wie nicht zuletzt der überfüllte Robert-Havemann-Saal im Haus der Demokratie am Abend der Vernissage zeigt: Die Debatte kehrt von der virtuellen in die reale Welt zurück.

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