Polens Regierungschef verschafft sich Zeit
Donald Tusk bildete seine Regierung um und glaubt ihr dadurch »neue Energie« einimpfen zu können
Mit sieben neuen Ministern in seinem 20-köpfigen Kabinett will Donald Tusk seiner Regierung »neue Energie« einimpfen. Das scheint in der Tat höchst notwendig, denn die oppositionelle nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des früheren Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski liegt in den neuesten Meinungsumfragen 10 Prozentpunkte vor der Bürgerplattform (PO) des derzeitigen Regierungschefs. Dessen Kabinett leidet unter anderem unter Korruptionsvorwürfen in fünf wichtigen Ressorts, darunter das Innenministerium. Der Wirtschaft gehe es nicht schlecht, wird behauptet, aber die Arbeitslosigkeit klettert über 13 Prozent.
Aufsehen erregten vor allem zwei Nominierungen. Den Posten des seit sechs Jahren über die Finanzen gebietenden Jan Vincent Rostowski, der sich in Polen durch eine Rentenreform und schmerzliche Sparmaßnahmen unbeliebt gemacht hat, übernimmt der 38-jährige Mateusz Szczurek, der bisher im privaten Bankwesen tätig war. Sehr begabt soll er sein, aber ohne politische Erfahrung und ohne Hausmacht. Andere an der Personalbörse gehandelte Kandidaten für diesen Job hatten abgesagt.
Befördert wurde die bisherige Ministerin für Regionalentwicklung Elzbieta Bienkowska, die als tüchtigstes Kabinettsmitglied gilt. Sie übernimmt zusätzlich die Verantwortung für Transport und Bauwesen, zudem ernannte sie Tusk zu seiner Stellvertreterin. Das Transportministerium wurde bis vor Kurzem von Slawomir Nowak verwaltet, der aber wegen Korruptionsverdachts zurücktrat.
Der bisherige Umweltminister Marcin Korolec wurde - noch während er der in Warschau tagenden UN-Klimakonferenz vorsitzt - durch den Ökonomen Maciej Grabowski ersetzt, der sich gerade erst für die von Umweltschützern kritisierte Schiefergasförderung stark gemacht hat.
Zwei neue Minister - für Wissenschaft und Hochschulen sowie für Verwaltung und Informatik - holte sich der Regierungschef aus dem Europäischen Parlament. Und das Bildungsressort besetzte er mit Joanna Kluzik-Rostkowska, die Wahlkampfchefin seines Kontrahenten Jaroslaw Kaczynski war, bevor sie der PiS den Rücken kehrte. Das Sportressort übertrug Tusk dafür dem treuen PO-Kämpfer Andrzej Biernat.
Leszek Miller, Vorsitzender des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), stellte die rhetorische Frage, ob es sich tatsächlich um eine Regierungsumbildung handle. Tusk habe sich zwar etwas Zeit verschafft, doch bald würden die Probleme mit neuer Kraft hervortreten, prophezeite Miller. Die Regierung konzentriere sich darauf, wie die im EU-Haushalt 2014 bis 2020 für Polen vorgesehenen 105 Milliarden Euro auszugeben sind, vernachlässige aber eigene Entwicklungs- und Innovationskonzepte. Auch andere Stimmen sprechen von der Gefahr, dass sich das Land weiterhin nur durch billige Arbeitskräfte auszeichnet und junge Leute mangels Arbeit und Wohnungen frustriert ins Ausland abwandern.
PiS-Führer Kaczynski bewertete das »ganze Unternehmen« erwartungsgemäß als Täuschungsmanöver und PR-Aktion, die jedoch im Volk nicht ankommen werde. Eine wirklich neue Regierung werde es erst geben, wenn die PiS in zwei Jahren oder früher die Parlamentswahlen gewinnt.
Kommentatoren bemerken, dass Tusk seinen Koalitionspartner Janusz Piechociński, Chef der Bauernpartei PSL, erst eine Stunde vor der Vorstellung der neuen Minister in Kenntnis gesetzt hat.
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